Einfach ein bißchen Rechts zulassen

Ich erlaube mir, eine Kolumne, die unter dem vorwitzigen Titel „Der schwarze Kanal“ im SPIEGEL erschienen ist, als Bild einzufügen, damit dem geneigten Leser klarwird, was für ein Bravourstück seines Faches der Herr Fleischhauer hier hingelegt hat:

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Ein performativer Selbstwiderspruch hat die Struktur, seine eigene Aussageposition durch die Aussage zu widerlegen. Beispiel? Wenn ich im wachen Zustand sage: „Ich schlafe noch“. Oder wenn ich schreie: „Ich schreie nicht!!!“. Ein performativer Selbstwiderspruch ist sachlich nicht unlogisch, klar kann ich hellwach sagen, ich schliefe oder brüllen, daß ich ja gar nicht brülle. Es geht um die Aussageposition. Herr Fleischhauer befindet sich in einer überaus komfortablen.

Er ist als Erzcuck angestellt. Diese Aussageposition beinhaltet folgende Vorzüge: man darf solange „konservativ“ sein, wider den „Zeitgeist“, gar die „politische Korrektheit“ sprechen, es sogar wagen, „für Rechts“ verbalmutig aufzustehen, kokett, ironisch, doch dabei immer nur, wohldosiert, „ein bisschen Rechts“. Ein bißchen Frieden, ein bißchen Träumen, und daß die Menschen nicht so oft weinen … (Nicole).

Für den Erzcuck gelten aber zwei begrenzende Bedingungung seiner Komfortzone: erstens darf es niemals ernst werden. Dann kneift er, distanziert sich, rudert zurück, alles war nicht so gemeint. Zweitens, und damit bin ich beim performativen Selbstwiderspruch angelangt, im Schutze seines Bekenntnisses zu „ein bisschen Rechts“ darf der Erzcuck  austeilen „gegen Rechts“. Er darf sogar ärger austeilen als ein beliebiger dahergelaufener Linker, denn er hat ja zuvor seine Aussageposition markiert: Leute, ich bin konservativ, mein Kind darf blond sein und Zöpfe tragen und einen deutschen Namen, „und das ist gut so“ (Klaus Wowereit).

Und so teilt er denn aus. Die Waldorfschule hat Sommerfeld samt Kindern rausgehaut per Sippenhaftung. Das geht gar nicht, „ein bißchen rechts“ wird man als Autorin doch noch sein dürfen. Mensch, das wäre echte Vielfalt, ihr lieben Linken, Amadeus und Antifanten, jetzt hab ich euch aber gekriegt und euch eure eigene Toleranz unter die Nase gestrichen.

Aber: ich bin kein Rassist, nur, damit ihr mich richtig versteht, kein Rassist. Aber Steiner ist einer! Uff, geschafft, Kurve gekratzt, Cucks gonna cuck. Kann man ja mal so behaupten: „Schulgründer Rudolf Steiner glaubte an die Überlegenheit der weißen Rasse“. Wo steht das in seinem über 300 Bände starken Werk? Steiners Rassebegriff ist außerordentlich kompliziert, aber wenn Jan Fleischhauer unbedingt will, hier eine Erklärung:

Und so sehen wir, daß gerade im 19. Jahrhundert ein Pochen auf Stammes- und Volks- und Rassenzusammenhänge beginnt, und daß man von diesem Pochen auf Stammes- und Volks- und Rassenzusammenhänge als einem idealistischen spricht, während es in Wahrheit der Anfang einer Niedergangserscheinung der Menschen, der Menschheit, ist. (Vortrag vom 26.10.1917).

Steiners Gesamterzählung geht so: in vorantiker und antiker, wie er sagt „atlantischer“ Zeit hat es das Wirken der göttlichen Mächte vermocht, das noch junge Menschengeschlecht das Zusammenwohnen und Sichordnen nach Völkern und Rassen zu lehren. Jeder Einzelmensch gehörte in eine volkhafte und nach Menschenrassen sichtbar getrennte große Ordnung hinein, von „Überlegenheit“ der einen, der weißen Rasse zum Beispiel, kein Wort. Etwaige individuelle Auflehnung gegen Blutsverwandtschaft und Ordnung galt den Menschen damals, in Zeiten der totalen „Gruppenseele“, als böse, denn „alles was an solchen Rebellenlehren kommt, was sich auflehnt gegen die Vererbung, gegen die Stammes- und Rassenzusammenhänge, was da pocht auf individuelle Freiheit, das rührt von den herabgestoßenen Geistern her.“

In der Neuzeit kehrt sich nun durch den Sieg des Erzengels Michael über die Finsternis das Verhältnis um. Es ist genug geschehen in der geordneten vormodernen Weltordnung, sie muß umgestoßen werden. Das ist der Kontext des Zitats von oben über die „Stammes- und Volks- und Rassenzusammenhänge“. Die alte Zeit der tribalen und rassischen Komplettidentität des Menschen ist unwiederbringlich dahin. Aufsteigen und Niedergehen ist der Normalfall in der Kultur- und Geistesgeschichte. Ebenso gescheit wäre es, sagt Steiner, wie wenn man einen Menschen sein Leben lang damit belästigen würde, buchstabieren zu lernen, wie wenn man heute sagen würde, daß sich „über die Erde hin eine soziale Struktur ausbreiten soll auf Grundlage der Blutszusammenhänge der Völker. Das ist zwar Wilsonianismus, das ist aber zur gleichen Zeit Ahrimanismus, das ist Geist der Finsternis.“

Kein „Rassismus“, keine „Überlegenheit der weißen Rasse“ für heute. Verstanden, Herr Fleischhauer? Dann können Sie jetzt Ihre eliminatorische Überbietungslogik – nicht bloß Frau Sommerfeld rausschmeißen wegen „ein bisschen Rechts“, sondern stattdessen eifrig alle Waldorfschulen dichtzumachen wegen anathematischem „Rassismus“ – wieder einstreichen. Die Amadeu-Antoniu-Stiftung zu überbieten in Sachen Reinigungsfuror, ja, das schafft man nur als Erzcuck. Davon können Sie sich gleich wieder distanzieren. Ich bin ja nicht so. Könnt ja sein, daß alles nur ironisch gemeint ist …

P.S. „Rechts“ ist übrigens ein Adjektiv. „Ein bißchen“ ist ein Pronomen. Wie der Name schon sagt steht es für ein Nomen (z.B in: „ein bißchen Frieden“) und kann nicht für ein Adjektiv stehen. Dasselbe gilt für „gegen Rechts“: „gegen“ ist eine Präposition und fordert ebenfalls ein Nomen ( meinenthalben sogar „gegen Frieden“). Ich kann es mir nur so erklären: die Nominalisierung von „Rechts“ hat semantische Gründe, die alle Regeln der Syntax aussetzen.

 

 

2 Gedanken zu “Einfach ein bißchen Rechts zulassen

  1. Laut Duden ist „bißchen“ in Kombination mit „ein“ ein Adverb. Daher kann man es auch vor Adjektiven, anderen Adverben („ein bißchen viel“) und Verben („Ich gehe ein bißchen laufen.“) benutzen. Pronomen ist es in Ausdrücken wie „das bißchen Geld“, „kein bißchen Zeit“ (Duden).

    „Ein bißchen rechts“ ist also kein grammatikalisch falscher, sondern bloß ein dummer Ausdruck.

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