Das Dávila-Dilemma des Rassismusvorwurfs

„Wer das Vokabular des Feindes akzeptiert, ergibt sich ohne sein Wissen“ (Nicolas Gomez Dávila)

Martin Sellner schrieb unlängst auf „Sezession“ über die Lage der Identitären Bewegung in Zeiten der Anklage wegen „Verhetzung“ und dem Versuch, sie in Österreich zu kriminalisieren. In dem Beitrag bringt er das Argument, die IB grenze sich

gegen Antisemitismus, Rassismus, Biologismus und Totalitarismus ab, ohne sich dabei dem multikulturalistischen Mainstream zu unterwerfen

und das habe sie stark gemacht.

Diese These hat einen Haken. In dem Moment, wo die IB  dies tut, bedient sie sich des Vokabulars des politischen Gegners, signalisiert Defensive und füttert das Mimikryargument („Sie sagen jetzt wortreich und hübsch, sie sind keine Rassisten, das ist nur das Deckmäntelchen dafür, daß sie es sind!“). Nicht nur notorische Altrechte reagieren darauf mitunter mit dem „Cucking“-Vorwurf. Alle diese Fragen schwelen weiter und machen das freudsche Schicksal jedes Tabus durch, wenn man sich von ihnen „abgrenzt“, denn dann benutzt man das „Vokabular des Feindes“.

Ist das Dávila-Dilemma, wie ich es nennen will, lösbar?

Es entspann sich eine fruchtbare Diskussion auf „Sezession“, die ich an dieser Stelle ordnen, Argumente zitieren und Lösungen herauspräparieren will. Denn „die Rechte“ ist sich in dieser Frage überhaupt nicht einig. Es geht nicht darum, ob manche Rechten – haben wir’s doch immer schon gewußt! – Rassisten sind, sondern um das sprachlogische Problem bei der Verwendung des Begriffs „Rassismus“, und was eine Lösung des Dilemmas in der Praxis bedeuten würde.

1.Die Lösung besteht darin, sich von einem falschen Rassismusbegriff abzugrenzen.

„Würde man mich auffordern, mich von „Rassismus“ und „Antisemitismus“ zu distanzieren, würde ich zunächst eine präzise Definition dieser Begriffe verlangen und sie, sofern eine Antwort ausbleibt, selber definieren: Rassismus bedeutet Geringschätzung anderer Rassen, Antisemitismus kollektive Feindschaft gegen die Juden aufgrund ihrer Rasse. Laut dieser Definition würde ich die Frage, ob ich Rassist und Antisemit bin, aus voller Überzeugung verneinen, weil nur Dummköpfe einen Neger darum verachten, weil er Neger ist, oder die Romane Stefan Zweigs und die Kompositionen Gustav Mahlers darum verabscheuen, weil die beiden Juden waren.“

„Ich unterstelle mal, dass wir uns relativ schnell auf eine Definition eines abzulehnenden Rassismus einigen könnten. Aber wir denken eben noch zu oft in den pervertierten Kategorien der Gegner.“

„Ich sehe da kein Dilemma. Wenn man kein Rassist ist, ist man kein Rassist. Wenn man dann sagt man wäre doch ein Rassist, oder sich gar nicht dazu äußert, weil man Angst hat Begriffe der Linken zu übernehmen, beugt man sich ja letztlich dennoch der Begriffshoheit der Linken.“

„Wenn es keinen „Antisemitismus, Rassismus, Biologismus und Totalitarismus“ g i b t, dann muß man das nicht ständig herbeten oder sich distanzieren, man muß es in Schrift und Tat und Leben leben. Allerdings dürfte es schwer sein, für alle Mitglieder zu bürgen. Da sollte man auch Trennungen möglich machen.“

Dieses Argument ist ein inhaltliches. Der Rassismusbegriff wird übernommen und differenziert, ein „abzulehnender Rassismus“ ist definierbar. Wer so argumentiert, geht innerhalb des Begriffs davon aus, daß dieser nicht auf ihn zuträfe (entweder überhaupt nicht – „Wenn man kein Rassist ist, ist man kein Rassist“ – oder nur der „dumme“ Rassismus wird abgelehnt). Dieses Argument hat den Vorteil, anschlußfähig im Dialog mit Linken zu sein, hat aber den Nachteil, das Dávila-Dilemma gar nicht lösen zu wollen.

2. Die Lösung ist, den Begriff  „Rassimus“ als linken Kampfbegriff zu framen

„Man kann aber auch anders argumentieren, indem man auf die Rede über /Rassismus/ verzichtet, weil man nicht wirklich sagen kann, wovon überhaupt die Rede sein soll, denn die Existenz von Rassen ist mehr als fragwürdig.“

„Wenn Martin Sellner sich z. B. vom „Rassismus“ abgrenzt, bedient er sich meiner Meinung nach nicht „des Vokabulars des politischen Gegners“. Das Problem oder Dilemma besteht vielmehr darin, dass wir beim Lesen des Begriffs „Rassismus“ die Definition des politischen Gegners mitdenken und nicht unsere eigene.“

„Warum also sollte man einen mehr und mehr verlogenen Begriff wie „Rassismus“ anerkennen, anstatt einfach die Wahrheit zu sagen: Rassismus ist ein Codewort für antiweiß. Es richtet sich fast nur gegen Weiße und wird nahezu immer in unredlicher Absicht verwendet.“

„Ironisierung wäre vermutlich auch bei „Rassist“ & Co. die angemessene Umgangsform. Begriffe, die durch inflationären Gebrauch jede deskriptive Brauchbarkeit verloren haben und nur noch als Schimpfvokabel dienen, sollte man humoristisch ihres Einschüchterungspathos berauben.“

Reframing des Rassismusbegriffs zielt darauf, die Funktion des Rassismusvorwurfs anzugreifen, nicht den Inhalt (oder wenn, dann nur, um den Linken den Ball zurückzuspielen: aha, ihr geht also von ‚Rassen‘ aus?). „Rassismus“ wäre in diesem Argument begrifflich inhaltsleer und existiert allein wegen seiner sozialen Funktion, den Gegner zu diffamieren. Dieses Argument hat den Vorteil, daß man die Ebene wechselt, raus aus dem „Du-bist-rassistisch-nein-bin-ich-nicht“-Spiel, und den damit zusammenhängenden Nachteil, daß der Gegner einem Sprachspielerei vorwerfen wird und weiterhin denkt, man sei in seinem Sinne „rassistisch“.

3. Die Lösung besteht darin, seinen Rassismus offen zuzugeben.

„Die Wahrnehmung der „alten“ Rechten als in irgendeiner Weise makelbehaftet (oder mittlerweile unzeitgemäß) ist ja bereits eine Übernahme linker Geistesregeln. Dabei handelt es sich aber um einen Denkfehler: Die Grundhaltung, der planmäßigen linken Zerstörung entgegenzutreten, ist die Ursache der Feindschaft zum linken Lager, das einen aus nur diesem Grunde dann auch zum Feind erklärt.“

„Die Abgrenzung der IB gegen „Antisemitismus, Rassismus, Biologismus und Totalitarismus“ ist nicht mehr als ein Wegducken (…) Für alle wäre es einfacher, wenn sowohl die IB als auch Herr Kubitschek und Co., ideologisch klare Kante zeigen würden, statt Wortklauberei als Waffe im „Infokrieg“ einzusetzen.“

„Man muss sich nicht von falsch verstandenen Begriffen abgrenzen. Man sollte frei sagen: Ja ich bin rechts, ja ich bin Rassist, und dann erklären, was man mit dem Begriff meint, z.B. mit unserer Definition von Rechts (= das Erkennen und Bejahen von Unterschieden). Mit dem Begriff Rassismus verhält es sich mE wie mit dem des Biologismus. Sie haben beide keine Berechtigung. Es gibt nun einmal Rassen und das nicht nur bei Pferden. Es handelt sich dabei nicht um eine Idee oder ein Konstrukt. Dazu muss man stehen, das muss man erklären, dann wird es auch von immer mehr Menschen verstanden werden.“

„Die „alte Rechte“ ist ihrerseits auf den Begriff des Chauvinismus ausgewichen (in einem ablehnenden Sinne), um zu zeigen, dass sie weder revanchistisch noch „eliminatorisch“ denkt, also andere Völker und Rassen als erhaltenswert erachtet, ohne den Rassebegriff zu verleugnen. Rassenrealismus wäre hier das positive Pendant zum negativ konnotierten „Rassismus“.“

Diese Lösung entbindet einen von allen Problemen und schafft „endlich Klarheit! „Er ist es! Er ist es!, ab Min. 02:00″)“ . Die Klarheit ist aber trügerisch, denn sie kehrt nur das Mimikry-Argument um: es gibt wirklich eine Menge Identitäre, die keine Rassisten (sogar im genuin linken Sinne des Wortes) sind. Mögen sie von den Vertretern dieses Arguments auch noch so sehr für „Cucks“ gehalten werden, es muß logisch möglich sein, k e i n  Rassist zu sein.  Zudem schafft dieses Argument einen Riesenberg neue Probleme sozialer Art (exakt dies meint Sellners Ausgangsthese). Eine Möglichkeit innerhalb dieses Arguments ist in der Tat das, was Jared Taylor „race realism“ nennt.

4. Das Dilemma ist und bleibt ein Paradox. Lösungen entstehen anders.

„Indem ich nämlich prinzipiell – darauf liegt die Betonung – festlege, die „Sprache des Feindes“, das „Vokabular des Gegners“ und dergleichen nicht zu nutzen, hat man es schon benutzt, ist man schon in die Falle gegangen, hat man das „Feinddenken“ schon angenommen.“

„Sprachlogisch ist das Dilemma nicht lösbar, denn wer den Rassimusvorwurf erhebt, muß rassistisch denken, ebenso wie der, der den Vorwurf zurückweisen will. Diese Situation erinnert an das bekannte Diktum: Wer sich verteidigt, klagt sich an. Etwas übersteigert: Philosemiten sind schlimmer als Antisemiten. In dieser Lage müßte man mit dem Hammer philosophieren.“

„In das Dilemma ist ein dialektisches Paradox eingebaut – wenn man letzteres sieht, dann löst sich ersteres auf. Es ist das Paradox alles Apodiktischen. Auch Dávila irrt hier – zumindest wenn man ihn so liest (was man nicht muß).“

„Das Dilemma ist lösbar – wenn man einen langen Atem hat. Dazu darf man Politik nicht situativ, als actio-reactio-Mechanismus, begreifen, sondern durch eine Art Draufsicht ihren Prozeßcharakter sichtbar machen.“

„Ich sehe sehr wohl, daß ein derartiger „Frame“ derzeit noch schwierig zu vermitteln ist, aber das wird sich sehr bald ändern. Da die internationale Linke zunehmend zu explizit rassischer Feindschaft gegenüber normalen Weißen übergeht (man beachte die immer häufigeren Klagen über alte/heterosexuelle/christliche -immer aber weiße- Männer in den Medien) wird die Wahrheit den linken, aber noch allgemein akzeptierten Frame „Rassismus“ bald vernichten. Er wird dann nur noch innerhalb der Linken Macht haben.“

Paradoxien sind direkt per definitionem unlösbar. Lösungen erzwingen kann man entweder durch Ebenenunterscheidung (siehe 2. Lösung), durch Begriffsdifferenzierung (siehe 1. Lösung) oder durch reale Verzeitlichung („einen langen Atem haben“) oder das Argument, wir Weißen werden es über kurz oder lang ganz konkret mit Angriffen auf unsere Rasse zu tun bekommen. 

 

 

 

 

 

8 Gedanken zu “Das Dávila-Dilemma des Rassismusvorwurfs

  1. Ich kenne die zugrundeliegende Diskussion nur in den hier wiedergegebenen Argumenten, aber da diese Variante anscheinend noch nicht zur Sprache kam, möchte ich als Beitrag zu Punkt 1 – Abgrenzung von falschen Definitionen – eine wie mir scheint ausreichend komplexe und zugleich genügend enge Definition von Rassismus erwähnen (nach W.J.Pazelt):

    Als Rassismus ist jene Einstellung zu bezeichnen, die andere Menschen nicht als autonome Individuen, sondern ausschließlich als Exemplare eines kollektiven Typs (Primärmerkmal) ansieht – ganz gleich, anhand welcher realer oder fiktiver Merkmalskriterien die Typisierung erfolgt – und in einer vorgefassten, empirisch nicht revidierbaren Typenhierarchie (Sekundärmerkmal) verortet.

    Diese handliche Definition schließt nicht nur biologischen und kulturellen Rassismus ein, sondern auch jede Praxis, welche in der Begegnung mit einem anderen Menschen das zugeschriebene Typische dem erfahrbaren Individuellen irreversibel vorordnet. Wer also nach authentischen zwischenmenschlichen Begegnungen strebt, und zudem bereit ist, seine alltagspraktischen Generalisierungen im Lichte anderer Erfahrungen abzuändern, ist nicht rassistisch.

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  2. Klar, es ist schwer, nicht missverstanden zu werden. Aber man muss provozieren und z.B. erklären: J“a, ich bin Rassist, denn es gibt Rassen. Ich unterscheide dabei jedoch den objektiven distinktiven deskriptiven Rassismus vom pauschalierend (ab- oder auf-) wertenden. Letzterem hänge ich nicht an, denn es ist nicht möglich, die Unterschiede zwischen den Rassen in einer Gesamtsumme (wie bei einer Schulnote) auszudrücken.“

    In Fauna und Flora – und auch der Mensch macht da keine Ausnahme – neigt jede Rasse natürlich dazu, sich selbst zu bevorzugen und mit sich innerhalb der eigenen Subspezies fortzupflanzen. Das ist kein Rassismus, sondern hat sich aus guten Gründen evolutionär herausgebildet und ist genetisch verankert.

    @Der Feinsinnige schreibt auf SiN, er empfinde das Wort Rassist inzwischen fast als Kompliment. Bravo! Ich auch. – „Natürlich bin ich Egoist, Nationalist, Rassist und (ha!) Atheist. Was denn sonst, ich bin ja nicht blöd!“ DAS ist die Antwort – kurz, klar und mit Verve vorgetragen und dann, falls es jemand genauer wissen möchte, überlegen erklärt. Dazu stehen! Wie Ellen Kositza. Sie äußert in ihrem Buch ‚Das war’s‘ (auf Seite 71) und in ihren Videos sehr richtig (sinngemäß) eben genau dies: „Ich sage ‚Ich bin rechts‘, und dann beobachte ich zwei Reaktionen. Entweder die Fragesteller gehen, oder sie beginnen endlich, gute Fragen zu stellen. Jedenfalls verschwendet man nicht seine Zeit.“

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  3. „die gähnende Leerstelle im neurechten Weltbild: Es gibt keinen positiven Begriff von Humanität.“ Doch, independentclochard, es gibt ihn schon verhaltensmäßig unausgesprochen, ohne den Doppelbegriff Humanität überhaupt zu verwenden. J e d e r Mensch verhält sich menschlich, indem er die „gute“ oder die „böse“ Richtung einschlägt. Manchmal auch beide evolutiv angelegten Seiten vermischt. Was ist den „Neurechten“ vorzuwerfen, wenn sie auf diese Ausgangslage hinweisen und aus ihrer Sicht positive Elemente benennen und nach außen vertreten?

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    1. „J e d e r Mensch verhält sich menschlich“ ist tautologisch. Daraus ergibt sich keine relevante Position, z.B. in Bezug auf Gerechtigkeit, wie Menschen zusammenleben sollen, was sie einander schulden und nicht schulden, etc. Grauf, Arppe und die namenlosen Agitprop-Kohorten, die alle möglichen Menschen bei jeder unpassenden Gelegenheit gleich zu einer bestialischen Todesart verfluchen, diese Leute benehmen sich, wenn man so will, auch nur menschlich. Die Leerstelle, die da so gut wie Tag für Tag aufblitzt, ist die fehlende rote Linie. Die findet sich auch kaum bei der „intellektuellen Rechten“. Mit der Verteidigung der europäischen Traditionslinien, die weniger Säulen gleichen als breiten Flüssen, mit dieser Verteidigung ist es ja nicht so leicht, dass man dafür schon was tut, indem man vor dem Untergang warnt. Man muss sich schon einfügen in diese Linien, das wäre ja wohl das Mindeste. Was das heute hieße, davon scheinen aber nur wenig einen Begriff zu haben. Auch die Neurechten sind eher Totengräber als Garanten für das Fortdauern dessen, woran einem gelegen sein könnte, wenn man über Europa nachdenkt. Und die von mir bedauerte und für Sie nicht einmal begreifbare Leerstelle spielt da eine zentrale Rolle.

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      1. Nehmen wir an, es verhielte sich so, wie Du es beschreibst, dass „Menschlichkeit“ eine Leerstelle im konservativen Denken sei, und lassen den trivialen Umstand einmal beiseite, dass manche Menschen einfach keine gute Kinderstube hatten.
        Leerstellen haben den Reiz, mit unterschiedlichem Inhalt befüllbar zu sein. Insofern ist das gegen konservative Vorstellungen von Gesellschaft oft ins Feld geführte Argument, eine homogene Gemeinschaft mit einheitlichen Vorstellungen von Gerechtigkeit und einer allgemeinverbindlichen Vorstellung des Guten gäbe es nicht, gar kein Problem. Mir scheint, dass insbesondere in modernen pluralistischen Gesellschaften gerade leere Signifikanten es durch ihre Unschärfe ermöglichen, als integrative Leinwand für eine Vielzahl von Projektionen dienen zu können. Insofern wäre das Problem nicht die Leerstelle, sondern der falsche Umgang damit, bspw. eine fehlende Ausbuchstabierungen mit lebensweltlicher Rückbindung, ein Beharren auf definitorischer Abgeschlossenheit, eine Verweigerung diskursiver Offenheit, etc. Um Deinen Bezug auf Idee und Wirklichkeit von „Europa“ aufzugreifen: So könnte es Aufgabe konservativer Bewußtseinsbildung sein, im Prozeß gesellschaftlicher Rückversicherung über die Grundlagen gemeinsamen Lebens gerade die hintergründigen kulturellen Verwurzelungen und Traditionslinien herauszuarbeiten, welche erst die Emanzipation des Individuums ermöglicht und die sie sichernden Institutionen herausgebildet haben. Genese ist nicht Geltung, das ist klar, aber anders als es die Linke behauptet, sind die Grundlagen unseres westlichen Ordnungsmodells (= Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrecht etc.) weder zufällig noch universell gültig – und daher eben auch nicht in jeden kulturellen Rahmen einpassbar.
        Aus dieser Sicht wäre dann der von Dir behauptete Mangel an „Humanität“ kein struktureller blinder Fleck, sondern lediglich eine diskursive Unterbestimmtheit eines leeren Begriffs. Über die IB kann ich (noch) nichts sagen, aber zumindest für den Republikanismus trifft das mit seiner Betonung von Bürgertugenden und Gemeinwohl bezüglich Fragen des Guten und Gerechten nicht zu.

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  4. Die Sache ist verworren, weil verdruckst. Und sie ist verdruckst, weil man um den heißen Brei herumschleicht. Der heiße Brei aber ist die gähnende Leerstelle im neurechten Weltbild: Es gibt keinen positiven Begriff von Humanität. Das wird Mal ums Mal sichtbar. Nehmen Sie eine Gestalt wie Marcel Grauf. Mit allen verbunden, was in der neurechten Szene einigermaßen wirksam aktiv ist: NPD, IB, AfD, Sezession etc. Zu welchem Murks Grauf fähig war, war schon bekannt und ist jetzt noch bekannter. „Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder. Mir egal. … Tote, Verkrüppelte. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen.“ Da, wo andere wie auch immer eine gewisse Vorstellung von Anstand und menschlicher Gesittung haben, da ist bei Grauf ein hohles Loch und bis heute vermisse ich in der neurechten Sammlungsbewegung wenigstens Indizien dafür, dass dieses Loch nur scheinbar wäre und nicht womöglich die größten Flächen des Milieus abdeckt.
    Dieses lustige Verwirrrtsein davon, mit welcher Volte bloß man sich des rassistischen Image entledigen könnte, wird solange keine Lösung finden können, wie man solche unfassbar trostlosen Agenten der Anti-Menschlichkeit meint rechtfertigen zu müssen und zu dürfen. Wer solche Freundschaften pflegt statt sich dagegen zu wehren, kriegt das unvermeidlich zugerechnet. Und das rechte Milieu macht den verblüffenden Fehler, sich wieder und wieder mit solcher Schmach vollzusaugen – vermutlich aus „Over-confidence“, in diesem Fall in das vermeintliche Momentum der Bewegung. Sie kommen daher auch beim Rassisten-Image solange nicht aus der Defensive heraus, wie irgendeine positive Vorstellung von Menschenwürde nicht entwickelt wird. Das Loch ist eben zu dick sichtbar. Beinahe täglich neu zu bestaunen.

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    1. Natürlich haben wir einen „positiven Begriff von Humanität“ – das ganze Konzept des Ethnopluralismus, die ganze gehlensche Anthropologie, der ganze Spengler halten Bestandteile dieses Begriffs bereit. Und warum soll ein Idiot oder (ich kenne den Grauf nicht) ein Typ, der sich an einem Abklatsch der „Ästhetik des Schreckens“ aufgeilt, dafür stehen, daß die Rechte insgesamt ein Menschlichkeitsdefizit hat? Das ist genauso blöd, wie wenn die Linke insgesamt wegen Sarah Rambatz oder irgendeines gewaltobsedierten Antifanten in ein unauffüllbar tiefes Loch blicken müßten. Ich glaube vielmehr, das Loch klafft deswegen, weil die Frage offen ist, weil sie schwelt, und- vermutlich aus prinzipiell anthropologischen Gründen – nicht zuzudecken ist. Sobald man das mit verbaler Anstrengung versucht, landet bei Heuchelei oder gleich in linkem Humanitätsdusel aka Hypermoral.

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      1. Da ist mir schon schleierhaft, wie der „Ethnopluralismus“ mit der „Weltoffenheit“ Gehlens zusammengeht.
        Gehlen ist ein Baum, der links und rechts Blätter und Früchte abwerfen könnte. Die „Institutionenbedürftigkeit“ muss man ja auch so weiterdenken, dass die Menschen Wege brauchen, die ihnen das Zusammenhalten und Kooperieren möglichen machen. Unkooperativ geht die Welt zugrunde. So kommt man zu den Fragen nach Würde, Gerechtigkeit, Frieden – demgegenüber winkt dann aber Freund Plessner und weist darauf hin, dass der Mensch eben auch eine Form von Gesellschaft benötigt, die seine Individualität respektiert und ihn eben nicht qua Vergesellschaftung verohmachtet.
        Der Antiradikalismus Plessners war einst intuitiv ein Kern des Konservativismus. Er prägte die Gelassenheit der Bürger, an der sich die Extremisten schrundig rieben, weil der Antiradikalismus sich immer wieder eher auf der Höhe der Komplexitäten erweist und zudem Positionen zu ändern imstande ist, „wenn die Fakten sich ändern.“ Man könnte sagen: Unparteilich und antiradikal hat man eine größere Chance, gedanklich offen zu bleiben, statt im ideologischen Geleier zu versinken.
        Aber mit welchen Konservativen kann man sich noch „in medio virtu“ unterhalten? Immer mehr Konservative tendieren in jüngster Zeit dazu, sich abstrus zu fanatisieren. Die glauben, etwas zusammenzuhalten, zerscheppern aber mehr, als das ihre Gegner könnten. Man könnte es auch als Selbstaufgabe oder das „Selbstmissverständis“ der Neo-Konservativen bezeichnen.

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