Einfach ein bißchen Rechts zulassen

Ich erlaube mir, eine Kolumne, die unter dem vorwitzigen Titel „Der schwarze Kanal“ im SPIEGEL erschienen ist, als Bild einzufügen, damit dem geneigten Leser klarwird, was für ein Bravourstück seines Faches der Herr Fleischhauer hier hingelegt hat:

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Ein performativer Selbstwiderspruch hat die Struktur, seine eigene Aussageposition durch die Aussage zu widerlegen. Beispiel? Wenn ich im wachen Zustand sage: „Ich schlafe noch“. Oder wenn ich schreie: „Ich schreie nicht!!!“. Ein performativer Selbstwiderspruch ist sachlich nicht unlogisch, klar kann ich hellwach sagen, ich schliefe oder brüllen, daß ich ja gar nicht brülle. Es geht um die Aussageposition. Herr Fleischhauer befindet sich in einer überaus komfortablen.

Er ist als Erzcuck angestellt. Diese Aussageposition beinhaltet folgende Vorzüge: man darf solange „konservativ“ sein, wider den „Zeitgeist“, gar die „politische Korrektheit“ sprechen, es sogar wagen, „für Rechts“ verbalmutig aufzustehen, kokett, ironisch, doch dabei immer nur, wohldosiert, „ein bisschen Rechts“. Ein bißchen Frieden, ein bißchen Träumen, und daß die Menschen nicht so oft weinen … (Nicole).

Für den Erzcuck gelten aber zwei begrenzende Bedingungung seiner Komfortzone: erstens darf es niemals ernst werden. Dann kneift er, distanziert sich, rudert zurück, alles war nicht so gemeint. Zweitens, und damit bin ich beim performativen Selbstwiderspruch angelangt, im Schutze seines Bekenntnisses zu „ein bisschen Rechts“ darf der Erzcuck  austeilen „gegen Rechts“. Er darf sogar ärger austeilen als ein beliebiger dahergelaufener Linker, denn er hat ja zuvor seine Aussageposition markiert: Leute, ich bin konservativ, mein Kind darf blond sein und Zöpfe tragen und einen deutschen Namen, „und das ist gut so“ (Klaus Wowereit).

Und so teilt er denn aus. Die Waldorfschule hat Sommerfeld samt Kindern rausgehaut per Sippenhaftung. Das geht gar nicht, „ein bißchen rechts“ wird man als Autorin doch noch sein dürfen. Mensch, das wäre echte Vielfalt, ihr lieben Linken, Amadeus und Antifanten, jetzt hab ich euch aber gekriegt und euch eure eigene Toleranz unter die Nase gestrichen.

Aber: ich bin kein Rassist, nur, damit ihr mich richtig versteht, kein Rassist. Aber Steiner ist einer! Uff, geschafft, Kurve gekratzt, Cucks gonna cuck. Kann man ja mal so behaupten: „Schulgründer Rudolf Steiner glaubte an die Überlegenheit der weißen Rasse“. Wo steht das in seinem über 300 Bände starken Werk? Steiners Rassebegriff ist außerordentlich kompliziert, aber wenn Jan Fleischhauer unbedingt will, hier eine Erklärung:

Und so sehen wir, daß gerade im 19. Jahrhundert ein Pochen auf Stammes- und Volks- und Rassenzusammenhänge beginnt, und daß man von diesem Pochen auf Stammes- und Volks- und Rassenzusammenhänge als einem idealistischen spricht, während es in Wahrheit der Anfang einer Niedergangserscheinung der Menschen, der Menschheit, ist. (Vortrag vom 26.10.1917).

Steiners Gesamterzählung geht so: in vorantiker und antiker, wie er sagt „atlantischer“ Zeit hat es das Wirken der göttlichen Mächte vermocht, das noch junge Menschengeschlecht das Zusammenwohnen und Sichordnen nach Völkern und Rassen zu lehren. Jeder Einzelmensch gehörte in eine volkhafte und nach Menschenrassen sichtbar getrennte große Ordnung hinein, von „Überlegenheit“ der einen, der weißen Rasse zum Beispiel, kein Wort. Etwaige individuelle Auflehnung gegen Blutsverwandtschaft und Ordnung galt den Menschen damals, in Zeiten der totalen „Gruppenseele“, als böse, denn „alles was an solchen Rebellenlehren kommt, was sich auflehnt gegen die Vererbung, gegen die Stammes- und Rassenzusammenhänge, was da pocht auf individuelle Freiheit, das rührt von den herabgestoßenen Geistern her.“

In der Neuzeit kehrt sich nun durch den Sieg des Erzengels Michael über die Finsternis das Verhältnis um. Es ist genug geschehen in der geordneten vormodernen Weltordnung, sie muß umgestoßen werden. Das ist der Kontext des Zitats von oben über die „Stammes- und Volks- und Rassenzusammenhänge“. Die alte Zeit der tribalen und rassischen Komplettidentität des Menschen ist unwiederbringlich dahin. Aufsteigen und Niedergehen ist der Normalfall in der Kultur- und Geistesgeschichte. Ebenso gescheit wäre es, sagt Steiner, wie wenn man einen Menschen sein Leben lang damit belästigen würde, buchstabieren zu lernen, wie wenn man heute sagen würde, daß sich „über die Erde hin eine soziale Struktur ausbreiten soll auf Grundlage der Blutszusammenhänge der Völker. Das ist zwar Wilsonianismus, das ist aber zur gleichen Zeit Ahrimanismus, das ist Geist der Finsternis.“

Kein „Rassismus“, keine „Überlegenheit der weißen Rasse“ für heute. Verstanden, Herr Fleischhauer? Dann können Sie jetzt Ihre eliminatorische Überbietungslogik – nicht bloß Frau Sommerfeld rausschmeißen wegen „ein bisschen Rechts“, sondern stattdessen eifrig alle Waldorfschulen dichtzumachen wegen anathematischem „Rassismus“ – wieder einstreichen. Die Amadeu-Antoniu-Stiftung zu überbieten in Sachen Reinigungsfuror, ja, das schafft man nur als Erzcuck. Davon können Sie sich gleich wieder distanzieren. Ich bin ja nicht so. Könnt ja sein, daß alles nur ironisch gemeint ist …

P.S. „Rechts“ ist übrigens ein Adjektiv. „Ein bißchen“ ist ein Pronomen. Wie der Name schon sagt steht es für ein Nomen (z.B in: „ein bißchen Frieden“) und kann nicht für ein Adjektiv stehen. Dasselbe gilt für „gegen Rechts“: „gegen“ ist eine Präposition und fordert ebenfalls ein Nomen ( meinenthalben sogar „gegen Frieden“). Ich kann es mir nur so erklären: die Nominalisierung von „Rechts“ hat semantische Gründe, die alle Regeln der Syntax aussetzen.

 

 

Unter Fremdkörpern und Rassisten

Platen

Klonovskys Aphorismus, früher habe man jemanden als „Rassisten“ bezeichnet, der der Meinung war, schwarz sei schlecht, und heute bezeichne man jemanden als „Rassisten“, der sage, schwarz sei schwarz, wird gelegentlich von anachronistischen Rassisten Lügen gestraft, die heute noch annehmen wollen, schwarz sei schlecht.

So geschehen in einem klassischen Beispiel für Gruselautosuggestion (Sie kennen das Insbettbringgefühl als Kind, nochmal und nochmal die Sage mit dem Zyklopen hören zu wollen, nicht wahr?) in der Frankfurter Rundschau vom 27.9.2018.

Die Autorin fürchtet sich vor mir, da ich „Fremdkörper“ gesagt habe, nicht nur gesagt, sogar geschrieben. Der Grund für ihren Grusel ist allein dadurch erklärbar, daß sie annimmt, ein „Fremdkörper“ sei minderwertig, eliminierenswert, zum Aussortieren, gar zum Tode bestimmt, und was einem sonst noch so alles in den Sinn kommt, wenn man sich in die grusligsten Zeiten der Geschichte wohlig zurückversetzt.

In Pakistan wäre ich ein Fremdkörper, in China auch, und in Schwarzafrika erst einmal! In den USA hat eine koreanische Mama unserem einen Sohn übers Haar gestreichelt und gefragt: „Did your husband also have golden hair when he was young?“ – gleich zwei Fremdkörper mit einem Streich. Genauso bin ich einer unter aalglatten Banker-Gespielinnen und -gattinnen, unter meinen Identitären (ein separater Seniorenstammtisch wäre da mal eine Überlegung wert, das Deutschesein paßt scho‘) und innerhalb meiner Kirchengemeinde (da bin ich fremder als eine kürzlich konvertierte Afrikanerin samt Familie). Es ist paradox, ich weiß, aber: Fremdkörpersein gehört dazu.

Die wirkliche „Rassistin“ ist Katja Thorwarth – ihr gruselt es beim Wort „Fremdkörper“, mir nicht. Der Duden definiert: “ Sache oder Person, die in ihrer Umgebung fremd wirkt, nicht in sie hineinpasst“, und, separate Bedeutung in Biologie und Medizin: „etwas, was von außen in einen Körper, Organismus eingedrungen ist“. Sollte Frau Thorwarth am Ende einen ganz aus der Gegenwart gefallenen „Biologismus“ pflegen?

Fremdkörperfeindlichkeit, Xenosomatophobie, schließt alles aus, das nicht „als besonders wertig mystifiziert“ (Thorwarth) wird. Es ist nicht zu fassen, welchen Rassismus sie uns als Journalismus verkauft. Ihre Wertmystik graut mich im fremdverwandten Busen.

(Zitat oben: August v. Platen, 1820)

 

 

Interkulturelle Erziehung – 10 Jahre danach

Wolfgang Nieke, Schüler des kritischen Erziehungswissenschaftlers Wolfgang Klafki, dieser wiederum direkter Adept der „Kritischen Theorie“, war einmal mein Professor in Rostock, bei ihm besuchte ich Seminare zur „Kritischen Erziehungswissenschaft“. Bei Nieke läßt sich exemplarisch studieren, welche Mésalliance mit der gegenwärtigen linken Politik die pädagogische Theorie eingegangen ist. Beziehungsweise: es verhält sich da wohl dialektisch, und man bekommt nicht heraus, ob die Politik oder die Pädagogik der Stichwortgeber oder der Vollstrecker war und ist.

Nieke veröffentlichte 1995 (2008 aktualisiert) sein Hauptwerk „Interkulturelle Erziehung und Bildung – Wertkonflikte im Alltag“, in dem er zehn Stufen der Erziehung zum Leben in einer multikulturellen Gesellschaft“ … darstellt? Propagiert? Aus seiner Sicht handelt es sich um Ziele, über die „weitgehende Einigkeit hergestellt werden könne. Das werden wir sehen. Bei Uneinigkeit kann man ja Zwischenbemerkungen einschieben. Eine polemische Intervention, 10 Jahre nach Erscheinen des Werkes:

(1) Erkenne deinen eigenen unvermeidlichen Ethnozentrismus.

Man soll erkennen, dass das eigene Denken immer in die eigene Ethnie und Lebenswelt eingebunden ist. Dieser eigene Ethnozentrismus kann nur bei der Konfrontation mit anderen ethnischen Gruppen erkannt werden.

Stimmt präzise. Weshalb uns gegenwärtig immer schmerzhafter unsere eigene Ethnizität bewußt wird.

Vor allem auch deshalb, weil „Verständnisprobleme dann entstehen, wenn jemand aus der einen Kultur seine Deutungen für jedermann bekannt unterstellt“.

Das ist bei Kulturen, die (noch) die Mehrheit stellen, der Normalfall und wünschenswert.

Dabei ist eine bloße Information über andere Kulturen nicht ausreichend, da „Misstrauen und Angst gegenüber Angehörigen kultureller Minderheiten durch Unvertrautheit entstehen und nicht durch Kontakt und Information abgebaut werden können“.

Stimmt, deshalb scheitern alle möglichen Integrationskurse.

Bei Kontakten ohne die richtige Einordnung in den jeweiligen kulturellen Zusammenhang besteht die Gefahr, dass bestehende Vorurteile noch weiter verstärkt werden können.

Das gilt dann aber für beide Seiten: Fremde, die nicht verstehen, was bei uns Konsens ist, stapeln gleich ein paar Vorurteile drauf, wenn sie anecken oder ihre Praktiken im Aufnahmeland ohne „die richtige Einordung“, nämlich so wie zuhause, ausleben. Und Einheimische ordnen ziemlich treffsicher ein, aus „welchem kulturellen Zusammenhang“ ein bestimmtes Verhalten stammt. „Vorurteile“ werden da meist von Beobachtungen grundiert.
(2) Umgehen mit der Befremdung

Das Fremde soll bewußt wahrgenommen und durchdacht werden, anschließend muß damit umgegangen werden. Das Fremde, das im spielerischen Umgang exotisch wirkt und aus diesem Grunde interessant sein kann, kann im Alltag verunsichern und Irritation und Abwehr erzeugen. Es richtet sich nämlich auf dieselben „Alltagsbereiche wie die eigenen Deutungen und Orientierungen“. Aus dieser Irritation/Befremdung heraus können Phänomene wie Ausländerfeindlichkeit oder Rassismus entstehen.

Je nun, das Fremde bleibt nur so lange „exotisch“, wie es nicht direkt vor unserer Türe stattfindet. Wenn einem die eigenen „Deutungen und Orientierungen“ unter den Füßen weggezogen werden, erzeugt das nicht bloß Irritation, sondern im günstigen Falle Verteidigungsbereitschaft. Im ungünstigen, wenn einem die Deutungen schon abhandengekommen sind, bloß eine leichte Verunsicherung und das umso heftigere Proklamieren von (3).
(3) Grundlagen von Toleranz

Toleranz ist mehr als Ignorieren und gleichgültiges Akzeptieren von Vielfalt der Lebensformen. Toleranz beginnt erst dort, wo ein Ausweichen nicht möglich ist und wo Weltorientierungen ausgehalten werden müssen, die den eigenen widersprechen. Dabei kann auch die Grenze der Toleranz sichtbar werden.

Toleranz soll also dort (normativ) greifen, wo die „Vielfalt“ schon unerträglich geworden ist und die „kleine Toleranz“ des Hinnehmens nicht mehr ausreicht? Wer in die Enge getrieben ist („ein Ausweichen nicht möglich“) hat ab jetzt tolerant zu sein.
(4) Akzeptieren von Ethnizität, Rücksichtnehmen auf die Sprache der Minoritäten

Die ethnischen und kulturellen Besonderheiten sollen akzeptiert und die verschiedenen Sprachen nicht verdrängt werden.

Parallelgesellschaften. Punkt.
(5) Thematisieren von Rassismus

Aufgabe der interkulturellen Erziehung ist es, das Unbehagen, das oft auch Kinder und Jugendliche den Angehörigen der Minoritäten entgegenbringen, zu thematisieren und dabei die kulturellen Hintergründe deutlich werden lassen. So können die „unbewussten Abwertungstendenzen“ bewußt gemacht werden, es kann daran gearbeitet werden, dass diese blockiert werden und schließlich ganz verschwinden.

Das Unbewußte der Kinder blockieren. Das greift ganz, ganz tief in die Umerziehungskiste. Das Unbehagen könnte ein natürlicher Schutzmechanismus sein. Dieser sollte „bewußt gemacht“ werden, damit nicht völlige geistig-seelische Schutzlosigkeit die Folge ist.
(6) Das Gemeinsame betonen, gegen die Gefahr des Ethnizismus

Bei dem „Versuch, die Besonderheiten einer Kultur im Sinne von Lebenswelt zu berücksichtigen und ihnen eine Eigengeltung zu verschaffen, besteht unvermeidlich die Gefahr“, dass auch Kultur, die nicht mehr gelebt wird, künstlich aufrechterhalten werden kann. Somit könnte Kultur als ‚Folklore‘ abgewertet werden, was aber nicht Sinn ‚interkultureller Erziehung‘ ist.

Die eigene oder die fremde Kultur? Die eigene „wird nicht mehr gelebt“, es wäre also „künstlich“, an ihr festzuhalten. Die fremde hingegen darf nicht als „Folklore abgewertet“ werden.
(7) Ermunterung zur Solidarität; Berücksichtigung der asymmetrischen Situation zwischen Mehrheit und Minderheit

Solidarität unter Minoritäten soll gefördert werden. Dazu muss es die Bereitschaft der Majoritäten geben, Minoritäten Platz einzuräumen. Die Angehörigen der Minoritäten sind zur gegenseitigen Solidarität zu ermuntern, um ihre politische Kraft zu stärken.

Das geht einen Schritt weiter als (4): den Fremden das Feld räumen.
(8) Einüben in Formen vernünftiger Konfliktbewältigung – Umgehen mit Kulturkonflikt und Kulturrelativismus

In Alltagssituationen kann es kein Nichthandeln geben. Die Entscheidungen in wertbedingten Konflikten können in virtuellen Diskursen, die auch die Geltungsbedingungen der Argumente in die Reflexion miteinbeziehen, bearbeitet werden.

Viel Spaß dabei! Ein Bekannter berichtete mir, er habe mit einem Migranten in einen „Reflexionsprozeß eintreten“ wollen über unsere Regeln, weil dieser falsch parkte. Doch dieser gab zurück „Ey, willst mich anzeigen?“.

(9) Aufmerksam werden auf die Möglichkeit gegenseitiger kultureller Bereicherung

Gegenseitige kulturelle Bereicherung soll als positiv begriffen werden. Bei der interkulturellen Erziehung ist die gegenseitige Bereicherung durch „Übernahme von Elementen aus anderen Kulturen in die eigene“ entscheidend.

Das Wort „Bereicherung“ ist in this current year nur mehr Hohn und Spott. Und wenn es einer versucht, sich an „Elementen aus anderen Kulturen“ ästhetisch zu bereichern, und zum Beispiel Rastalocken, Tribal-Tätowierungen, Zipfelbärtchen oder Perlen im Haar trägt, fällt das unter „kulturelle Aneignung“ und wird scharf kritisiert.

(10) Thematisierung der Wir-Identität: Aufhebung der Wir-Grenze in globaler Verantwortung oder Affirmation universaler Humanität?

Die Zugehörigkeit zu Lebenswelten (Ethnien, Kulturen) definiert unvermeidlich die Grenze zwischen Wir und Die.

Korrekt.

Es ist aber möglich, diese Grenzen zu erweitern, wenn größere Einheiten des Wir gedacht werden: Staatsbürger, Weltbürger bis hin zu einer nichtanthropozentrischen Erweiterung auf Tiere und den gesamten Kosmos.

Nur in der Theorie. Das ist die Crux des Universalimus: sie erweitert in konzentrischen Kreisen das „Wir“, bis von seiner Substanz nichts mehr übrig ist. Das psychedelische Aufgehen in einem Wir mit dem „gesamten Kosmos“ ist der Gipfel der Utopie und in keiner Weise mehr handlungsrelevant.

 

Stünde dies alles nur in einem zehn Jahre alten Buch, wäre das ein abgeschlossenes Kapitel. Es wird indes gegenwärtig allen Lehrern so gelehrt, und ist prüfungsrelevanter Stoff, siehe hier: https://youtu.be/_OZf3lHd4YE

 

 

Emanzipation gebiert Zensur

Das Schicksal der Freiheit hängt deshalb davon ab, daß Mündigkeit im rechtlichen Sinne nicht an denjenigen Zustand als Bedingung geknüpft wird, der im Rahmen der Emanzipationsideologie Mündigkeit heißt. Andernfalls wäre das Resultat eine allgemeine Entmündigung zugunsten neuer informeller Zensur- und Inquisitionsbehörden.

Robert Spaemann (1971): Autonomie, Mündigkeit, Emanzipation. Zur Ideologisierung von Rechtsbegriffen. In: Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hg.) Zur Emanziapation verurteilt. Herderbücherei Initiative Bd. 6, 1975.

Der konservative Philosoph Robert Spaemann hat da frühzeitig etwas ganze Großes heraufziehen sehen. Denkfutter für Leute wie mich, die heute verzweifeln an Zensurphänomenen nie gekannter Art und nie gekannten Ausmaßes. Ich will Spaemanns Überlegung umreißen, um zu verdeutlichen, warum das NetzDG, die seit gestern um sich greifende offen praktizierte Löschung rechter Konten in den Sozialen Medien, Bankkontenkündigung, Hausdurchsuchungen, linkes Meldemuschiunwesen und Denunziantengratismut etwas mit bewußten Begriffsumdeutungen zu tun haben, deren Folgen wir genau jetzt erleben.

Spaemann stellte 1971 fest, daß die Begriffe „Mündigkeit“, „Emanzipation“ und „Demokratie“ soeben umgedeutet werden von der „Kritischen Theorie“. Waren es ehedem und stets Rechtsbegriffe, die einen Zustand von Individuen oder Gesellschaften bezeichneten, werden sie nun zu Prozeßbegriffen. So hieß „Mündigkeit“ juristisch zunächst der Erwerb von gewissen Rechten, durch welche man zu einer freien Person wurde (beispielsweise als erwachsener Sohn unabhängig von des Vaters rechtlicher Vormundschaft). Insofern war der Mündigkeitsbegriff ein sozialer Ordnungsbegriff, der einer eindeutiger Grenzziehung zwischen Mündigen und Unmündigen diente. Kants „Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“ hieß indes nicht länger, daß bestimmte Menschen rechtlich unterprivilegiert sind, sondern ist pädagogisch gemeint.

Damit ging’s los – Mündigkeit wurde zu einem emanzipatorischen Erziehungsideal. Kant hat in gewisser Weise nicht ahnen können, was aus seinem rationalistischen Ideal sozialtechnologisch noch rauszuholen sein würde. Der wirklich mündige Mensch ist – wenn man’s pädagogisch sieht – nämlich nicht mehr z.B. per Alter oder Berufsstand definierbar, sondern wird ins Ideal verlegt.

Hier ist der Punkt, wo der der Rechtssphäre entfremdete Begriff in die Rechtssphäre zurückwirkt und diese zu verwirren droht.

Marx hat die pädagogischen Begriffe politisiert, also in die Hände der Macht gelegt. Wenn nun die kritische Erziehungswissenschaft der 68er- Marxleser sich dranmacht, eine Gesellschaft von Unmündigen in den Zustand der Mündigkeit zu überführen durch Beibringen „kritischen  Bewußtseins“, werden die Emanzipationsideologen selber zu Nutznießern – nur sie selber sind die wahren Schon-Mündigen.

Indem, so Spaemann anhand der Semantik von „Mündigkeit“, der Begriff vom Ordnungsbegriff zum (geschichtsteleologischen) Prozeßbegriff gemacht wird, wird die Zahl der Unmündigen nicht etwa (könnte man ja meinen, daß die kritischen Pädagogen die Masse mündig werden lassen wollte) kleiner, sondern größer. Denn alle werden zu bloß potentiell Mündigen degradiert, ihre wahre „Emanzipation“ steht immer erst aus. Freiheit wird so als fortgesetzte Befreiung gedacht.

Klingelt schon etwas? Spaemann argumentiert weiter: von Marx ausgehend denken die damaligen Emanzipationsideologen, daß der Mensch erst umkonditioniert werden muß, um als Freiheitssubjekt infrage zu kommen. Der theoretische Trick ist der: wenn man Mündigkeit (oder strukturanalog „Demokratie“, „Freiheit“ etc.) in einen zukünftig erst zu erreichenden Idealzustand verlegt, hat man das Ruder der Gesellschaftssteuerung in der Hand. Die Leute sind ja leider noch zu unmündig, zu unfrei, noch nicht „demokratisiert“ genug, um mit entsprechenden Rechten ausgestattet zu werden. Wir müssen uns ihrer annehmen und sie bis dahin führen. Ihre Handlungen und Äußerungen reichen nicht ans Ideal heran, deshalb disqualifizieren sie sich (noch) für z.B. das Recht auf Meinungsfreiheit.

An dem Punkt sind wir augenscheinlich angelangt, an dem

niemand mündig ist, sondern jeder des anderen Pädagoge, Psychotherapeut und Vormund im Namen des gemeinsamen Ideals der Mündigkeit und Emanzipation.

 

 

Das Dávila-Dilemma des Rassismusvorwurfs

„Wer das Vokabular des Feindes akzeptiert, ergibt sich ohne sein Wissen“ (Nicolas Gomez Dávila)

Martin Sellner schrieb unlängst auf „Sezession“ über die Lage der Identitären Bewegung in Zeiten der Anklage wegen „Verhetzung“ und dem Versuch, sie in Österreich zu kriminalisieren. In dem Beitrag bringt er das Argument, die IB grenze sich

gegen Antisemitismus, Rassismus, Biologismus und Totalitarismus ab, ohne sich dabei dem multikulturalistischen Mainstream zu unterwerfen

und das habe sie stark gemacht.

Diese These hat einen Haken. In dem Moment, wo die IB  dies tut, bedient sie sich des Vokabulars des politischen Gegners, signalisiert Defensive und füttert das Mimikryargument („Sie sagen jetzt wortreich und hübsch, sie sind keine Rassisten, das ist nur das Deckmäntelchen dafür, daß sie es sind!“). Nicht nur notorische Altrechte reagieren darauf mitunter mit dem „Cucking“-Vorwurf. Alle diese Fragen schwelen weiter und machen das freudsche Schicksal jedes Tabus durch, wenn man sich von ihnen „abgrenzt“, denn dann benutzt man das „Vokabular des Feindes“.

Ist das Dávila-Dilemma, wie ich es nennen will, lösbar?

Es entspann sich eine fruchtbare Diskussion auf „Sezession“, die ich an dieser Stelle ordnen, Argumente zitieren und Lösungen herauspräparieren will. Denn „die Rechte“ ist sich in dieser Frage überhaupt nicht einig. Es geht nicht darum, ob manche Rechten – haben wir’s doch immer schon gewußt! – Rassisten sind, sondern um das sprachlogische Problem bei der Verwendung des Begriffs „Rassismus“, und was eine Lösung des Dilemmas in der Praxis bedeuten würde.

1.Die Lösung besteht darin, sich von einem falschen Rassismusbegriff abzugrenzen.

„Würde man mich auffordern, mich von „Rassismus“ und „Antisemitismus“ zu distanzieren, würde ich zunächst eine präzise Definition dieser Begriffe verlangen und sie, sofern eine Antwort ausbleibt, selber definieren: Rassismus bedeutet Geringschätzung anderer Rassen, Antisemitismus kollektive Feindschaft gegen die Juden aufgrund ihrer Rasse. Laut dieser Definition würde ich die Frage, ob ich Rassist und Antisemit bin, aus voller Überzeugung verneinen, weil nur Dummköpfe einen Neger darum verachten, weil er Neger ist, oder die Romane Stefan Zweigs und die Kompositionen Gustav Mahlers darum verabscheuen, weil die beiden Juden waren.“

„Ich unterstelle mal, dass wir uns relativ schnell auf eine Definition eines abzulehnenden Rassismus einigen könnten. Aber wir denken eben noch zu oft in den pervertierten Kategorien der Gegner.“

„Ich sehe da kein Dilemma. Wenn man kein Rassist ist, ist man kein Rassist. Wenn man dann sagt man wäre doch ein Rassist, oder sich gar nicht dazu äußert, weil man Angst hat Begriffe der Linken zu übernehmen, beugt man sich ja letztlich dennoch der Begriffshoheit der Linken.“

„Wenn es keinen „Antisemitismus, Rassismus, Biologismus und Totalitarismus“ g i b t, dann muß man das nicht ständig herbeten oder sich distanzieren, man muß es in Schrift und Tat und Leben leben. Allerdings dürfte es schwer sein, für alle Mitglieder zu bürgen. Da sollte man auch Trennungen möglich machen.“

Dieses Argument ist ein inhaltliches. Der Rassismusbegriff wird übernommen und differenziert, ein „abzulehnender Rassismus“ ist definierbar. Wer so argumentiert, geht innerhalb des Begriffs davon aus, daß dieser nicht auf ihn zuträfe (entweder überhaupt nicht – „Wenn man kein Rassist ist, ist man kein Rassist“ – oder nur der „dumme“ Rassismus wird abgelehnt). Dieses Argument hat den Vorteil, anschlußfähig im Dialog mit Linken zu sein, hat aber den Nachteil, das Dávila-Dilemma gar nicht lösen zu wollen.

2. Die Lösung ist, den Begriff  „Rassimus“ als linken Kampfbegriff zu framen

„Man kann aber auch anders argumentieren, indem man auf die Rede über /Rassismus/ verzichtet, weil man nicht wirklich sagen kann, wovon überhaupt die Rede sein soll, denn die Existenz von Rassen ist mehr als fragwürdig.“

„Wenn Martin Sellner sich z. B. vom „Rassismus“ abgrenzt, bedient er sich meiner Meinung nach nicht „des Vokabulars des politischen Gegners“. Das Problem oder Dilemma besteht vielmehr darin, dass wir beim Lesen des Begriffs „Rassismus“ die Definition des politischen Gegners mitdenken und nicht unsere eigene.“

„Warum also sollte man einen mehr und mehr verlogenen Begriff wie „Rassismus“ anerkennen, anstatt einfach die Wahrheit zu sagen: Rassismus ist ein Codewort für antiweiß. Es richtet sich fast nur gegen Weiße und wird nahezu immer in unredlicher Absicht verwendet.“

„Ironisierung wäre vermutlich auch bei „Rassist“ & Co. die angemessene Umgangsform. Begriffe, die durch inflationären Gebrauch jede deskriptive Brauchbarkeit verloren haben und nur noch als Schimpfvokabel dienen, sollte man humoristisch ihres Einschüchterungspathos berauben.“

Reframing des Rassismusbegriffs zielt darauf, die Funktion des Rassismusvorwurfs anzugreifen, nicht den Inhalt (oder wenn, dann nur, um den Linken den Ball zurückzuspielen: aha, ihr geht also von ‚Rassen‘ aus?). „Rassismus“ wäre in diesem Argument begrifflich inhaltsleer und existiert allein wegen seiner sozialen Funktion, den Gegner zu diffamieren. Dieses Argument hat den Vorteil, daß man die Ebene wechselt, raus aus dem „Du-bist-rassistisch-nein-bin-ich-nicht“-Spiel, und den damit zusammenhängenden Nachteil, daß der Gegner einem Sprachspielerei vorwerfen wird und weiterhin denkt, man sei in seinem Sinne „rassistisch“.

3. Die Lösung besteht darin, seinen Rassismus offen zuzugeben.

„Die Wahrnehmung der „alten“ Rechten als in irgendeiner Weise makelbehaftet (oder mittlerweile unzeitgemäß) ist ja bereits eine Übernahme linker Geistesregeln. Dabei handelt es sich aber um einen Denkfehler: Die Grundhaltung, der planmäßigen linken Zerstörung entgegenzutreten, ist die Ursache der Feindschaft zum linken Lager, das einen aus nur diesem Grunde dann auch zum Feind erklärt.“

„Die Abgrenzung der IB gegen „Antisemitismus, Rassismus, Biologismus und Totalitarismus“ ist nicht mehr als ein Wegducken (…) Für alle wäre es einfacher, wenn sowohl die IB als auch Herr Kubitschek und Co., ideologisch klare Kante zeigen würden, statt Wortklauberei als Waffe im „Infokrieg“ einzusetzen.“

„Man muss sich nicht von falsch verstandenen Begriffen abgrenzen. Man sollte frei sagen: Ja ich bin rechts, ja ich bin Rassist, und dann erklären, was man mit dem Begriff meint, z.B. mit unserer Definition von Rechts (= das Erkennen und Bejahen von Unterschieden). Mit dem Begriff Rassismus verhält es sich mE wie mit dem des Biologismus. Sie haben beide keine Berechtigung. Es gibt nun einmal Rassen und das nicht nur bei Pferden. Es handelt sich dabei nicht um eine Idee oder ein Konstrukt. Dazu muss man stehen, das muss man erklären, dann wird es auch von immer mehr Menschen verstanden werden.“

„Die „alte Rechte“ ist ihrerseits auf den Begriff des Chauvinismus ausgewichen (in einem ablehnenden Sinne), um zu zeigen, dass sie weder revanchistisch noch „eliminatorisch“ denkt, also andere Völker und Rassen als erhaltenswert erachtet, ohne den Rassebegriff zu verleugnen. Rassenrealismus wäre hier das positive Pendant zum negativ konnotierten „Rassismus“.“

Diese Lösung entbindet einen von allen Problemen und schafft „endlich Klarheit! „Er ist es! Er ist es!, ab Min. 02:00″)“ . Die Klarheit ist aber trügerisch, denn sie kehrt nur das Mimikry-Argument um: es gibt wirklich eine Menge Identitäre, die keine Rassisten (sogar im genuin linken Sinne des Wortes) sind. Mögen sie von den Vertretern dieses Arguments auch noch so sehr für „Cucks“ gehalten werden, es muß logisch möglich sein, k e i n  Rassist zu sein.  Zudem schafft dieses Argument einen Riesenberg neue Probleme sozialer Art (exakt dies meint Sellners Ausgangsthese). Eine Möglichkeit innerhalb dieses Arguments ist in der Tat das, was Jared Taylor „race realism“ nennt.

4. Das Dilemma ist und bleibt ein Paradox. Lösungen entstehen anders.

„Indem ich nämlich prinzipiell – darauf liegt die Betonung – festlege, die „Sprache des Feindes“, das „Vokabular des Gegners“ und dergleichen nicht zu nutzen, hat man es schon benutzt, ist man schon in die Falle gegangen, hat man das „Feinddenken“ schon angenommen.“

„Sprachlogisch ist das Dilemma nicht lösbar, denn wer den Rassimusvorwurf erhebt, muß rassistisch denken, ebenso wie der, der den Vorwurf zurückweisen will. Diese Situation erinnert an das bekannte Diktum: Wer sich verteidigt, klagt sich an. Etwas übersteigert: Philosemiten sind schlimmer als Antisemiten. In dieser Lage müßte man mit dem Hammer philosophieren.“

„In das Dilemma ist ein dialektisches Paradox eingebaut – wenn man letzteres sieht, dann löst sich ersteres auf. Es ist das Paradox alles Apodiktischen. Auch Dávila irrt hier – zumindest wenn man ihn so liest (was man nicht muß).“

„Das Dilemma ist lösbar – wenn man einen langen Atem hat. Dazu darf man Politik nicht situativ, als actio-reactio-Mechanismus, begreifen, sondern durch eine Art Draufsicht ihren Prozeßcharakter sichtbar machen.“

„Ich sehe sehr wohl, daß ein derartiger „Frame“ derzeit noch schwierig zu vermitteln ist, aber das wird sich sehr bald ändern. Da die internationale Linke zunehmend zu explizit rassischer Feindschaft gegenüber normalen Weißen übergeht (man beachte die immer häufigeren Klagen über alte/heterosexuelle/christliche -immer aber weiße- Männer in den Medien) wird die Wahrheit den linken, aber noch allgemein akzeptierten Frame „Rassismus“ bald vernichten. Er wird dann nur noch innerhalb der Linken Macht haben.“

Paradoxien sind direkt per definitionem unlösbar. Lösungen erzwingen kann man entweder durch Ebenenunterscheidung (siehe 2. Lösung), durch Begriffsdifferenzierung (siehe 1. Lösung) oder durch reale Verzeitlichung („einen langen Atem haben“) oder das Argument, wir Weißen werden es über kurz oder lang ganz konkret mit Angriffen auf unsere Rasse zu tun bekommen. 

 

 

 

 

 

Merseburg oder „Maybe the raven stole it from the servant“

Den Merseburger Dom hofseitig besichtigt. Etwas Deutscheres läßt sich schwerlich finden. Im 16. Jahrhundert wurde der romanische Dom als Flügel des Merseburger Schlosses errichtet, später gotisch überformt. Aus dieser Zeit (1668) stammt, so liest man, auch die Supraporte am nördlichen Querschnitt.

Ich wußte nicht, wer der Schlafende ist, das Spruchband verriet nur, daß er an diesem heiligen Orte liegt. Wikipedia schreibt über jenes Türrelief, daß es

… einen erwachenden Mann in orientalischem Gewand auf einem Ruhebett zeigt.

Unten im Eck findet sich ein Rabe mit einem Ring im Schnabel.

Die älteste Version der Merseburger Rabensage von 1668 lautet:

Von diesem Bischof Thilo von Trodte ist unter dem gemeinen Mann eine gemeine Rede gewesen, als wenn er einsmahls Cammer-Diener darumb, daß ihm seinen Pitzschier-Ring entführet haben solle, hinrichten laßen, welches sich aber nach etlichen Jahren anders befunden, indem ein Schiefer-Decker solchen Ring in eines Raben Nest auf dem Thurm innen an der Domkirchen gefunden, weswegen solcher Bischof hernachmahls solche That an seinem Diener soll sehr bedauert, und zum steten Andenken einen Raben mit einem Ring im Schnabel in seinem Wappen geführet haben.

Der Bischof hatte den Diener hinrichten lassen, des Diebstahls seines Ringes überführt, der sich allerdings später in einem Rabennest am Turm fand. Ich spazierte in guter Gesellschaft nach der Magdeburger IfS-Tagung (hier entlarvendes Antifa-Bildmaterial) durch den Hof, Jared Taylor sagte, als wir ihm die Rabensage übersetzten, typisch sophisticated: „Maybe the raven stole it from the servant ....“

Merseburg ist auf bizarre Weise umgevolkt. Wir fuhren durch das Städtchen, und wurden zuerst einer Gruppe traditionell gekleideter Afrikanerinnen ansichtig, danach bog unser Auto in eine Straße namens „Hölle“, wo gleich mehrere „Gruppen“ (seit Klonovskys Tagebucheintrag benötigt „Gruppen“ keine nähere Bestimmung mehr) lungerten und ganz kleine Kopftuchmädchen, vielleicht achtjährig, spielten. Halal-Shops und Herrenbarbiere, Aufschriften auf den Schaufensterscheiben nur mehr auf Arabisch.

Der Erwachende in orientalischem Gewand.

Der Sage nach ließ Bischof Thilo von Trotha als Mahnung, kein Urteil im Jähzorn zu fällen, im Schlosshof einen prächtigen Vogelbauer errichten ließ, in dem seitdem ein Kolkrabe für den Diebstahl büßt.

Doch gesetzt den Fall, der Rabe hatte den Ring vom sehr wohl diebischen Diener gestohlen, ist dieser zurecht hingerichtet worden. Niemals im Jähzorn zu urteilen – wer büßt womöglich für eine Lüge?

Den Domhof verließ ich nur ungern. Was Moral aus Geschichten anbelangt, bin ich unrettbar dem Zweifel verfallen, ich glaub einfach keine mehr. In Merseburg legte sich noch eine zweite Schicht Zweifel obendrauf, und diese war nicht symbolisch, sondern stach in die Augen.

P.S. Mir schrieb jemand heut: „Deine Rabengedanken sind reine, hyperaufgeklärte Häresie!“ Und verwies auf dieses Lied:

Noch eine Schicht Zweifel obendrauf.

 

Menschenrechte, Frauenwahlrecht: religiöse Sozialexperimente

Der Standard wieder einmal. Gehört zur Standardlektüre Wiener Kaffeehäuser. Vorne das Einserkastl vom Rauscher. Diesmal unter der mich verläßlich triggernden Überschrift „Frauenwahlrecht“. Rauscher zählt auf, in welchen Wahlen der jüngeren Vergangenheit in Österreich die Stimmenmehrheit für SPÖ und Grüne eindeutig durch Frauen zustandegekommen ist. Männer wählen mehrheitlich rechts.

Während dieser Umstand mir schon Gelegenheit gab, darüber zu sinnieren, ob man deshalb besser das Frauenwahlrecht abschaffen sollte, oder den Jason Brennan bei seinem pragmatistischen Schopfe packen und seinerseits für unsere Zwecke instrumentalisieren sollte, ist Rauscher ganz zufrieden lächelnder Feminist.

Brennan hatte die Vorstellung vertreten, ob zur Wahl unqualifizierte Leute, die einfach nicht für ein liberales Abtreibungsrecht oder offene Grenzen zu gewinnen wären, nicht besser aus „demokratischen“ Gründen nicht wählen sollten, zum Wohle der offenen Gesellschaft. Nonchalant sein Vorstoß, daß es echt Leute gibt, die zu dumm zum wählen sind, und daß dies ein notorisches Problem der Demokratie sei. Der Pferdefuß liegt allerdings dort, wo er den Inhalt der Dummheit definiert nach Maßstäben der herrschenden globalistisch-individualistischen Elite.

Rauscher hat’s gern sibyllinisch, weil seine Leser eh wissen, worauf er hinauswill.

Noch in den 70er-Jahren wählten Frauen mehrheitlich konservativ, inzwischen hat sich viel verändert. Nicht überall, aber jedenfalls bei den Frauen.

Es soll sich halt auch bei den Männern endlich was tun! Männer sind prägsam, bildsam, knetbar, beeinflußbar … wenn man sie wie Hans Rauscher als Kryptofrauen definiert. Hier schlägt der linke Utopismus Purzelbäume. Seine Logik: Männer würden dann wie Frauen wählen, wenn sie nur lang genug von Frauen bearbeitet würden. Wovon sind aber dann die Frauen seit den 70er Jahren bearbeitet worden? Entweder sie haben eine weibliche Linksgrünwählernatur (was ich als Anhängerin des „metaphysischen Weibes“ vermute, Rauscher aber wohl eher abstreiten muß) und sind bloß von Patriarchen geknutet gewesen bis in die 70er. Oder sie sie sind genauso prägsam, bildsam, manipulierbar wie er sich das heute für die Männer wünscht. Dann bleibt aber die Frage nach dem linken Demiurgen offen, der sich eines Tages darangemacht hat, die Frauen zur Befreiung zu zwingen. Wer ist der Sozialexperimentator?

 

Schauplatzwechsel, aber immer noch heutiger Standard: Der Grazer Vizebürgermeister Mario Eustacchio  „wetterte gegen die Menschenrechte“, dabei sei doch Graz „Stadt der Menschenrechte“! Wie kann es das nur übersehen haben?

Im Standard jammert man ausführlich darüber, nicht eingeladen worden zu sein zum Kongreß „Verteidiger Europas“, was ja wohl allzu nachvollziehbar ist nach den Hetzartikeln zum Kongreß im Vorfeld des 3. März, wie ich hier dargestellt hatte. Also hat man auch nicht den Wortlaut der Eustacchio-Rede zur Hand.

Wie darf man sich eigentlich „Wettern gegen die Menschenrechte“ vorstellen? Wohl genauso, wie ich in meiner „Gegenerklärung gegen die Wiener Erklärung gegen Rassismus und Diskriminierung“ gegen die Menschenrechte „gewettert“ habe. Damals hatte sich auch eine Dame vom Waldorfbund auf der Versammlung hingestellt und gegen diesen Fall von Häresie das geltende Dogma bekräftigt, daß die „Wiener Erklärung“ für uns alle weiterhin gelte. In Eustacchios Falle spielte die Rolle der heiligen Inquisition sein ÖVP-Koalitionspartner Siegfried Nagl. Er betonte am Montag in einer Aussendung, die Menschenrechte seien weiter „die Richtschnur für politisches Handeln in Graz“. No na net.

Eustacchio hat eine Rede über das zweifelhafte politreligiöse Vermächtnis der 68er gehalten, die ich angehört habe vor Ort. Daß die „Menschenrechte“ waschechte Züge einer Zivilreligion angenommen haben, führte er auf den linken utopischen Universalismus der 68er zurück. Diese These ist nicht neu, „verkappte Religionen“ hatte schon in den 20er Jahren Carl Christian Bry argumentativ zerlegt und die These aufgestellt:

Jede verkappte Religion wirkt ihre eigenen Ausgangssätze ins Gegenteil um.

Die ungestüme Befreiungsdrift der Menschenrechte hat keinen eingebauten Stopknopf und ist daher selbstdestruktiv. Und weil das so ist, macht sie in ihrem Befreiungs- und Immer-neue-Anspruchsrechte-für-alle-Furor vor nichts halt und kehrt sich – gut dialektisch – um in ihr Gegenteil, wird also zerstörerisch statt glücksverheißend. Nichts anderes meinte Eustacchio.

Alain de Benoists Kritik der Menschenrechte ist ähnlich gehalten. Die Menschenrechte stoppen zwar aufgrund ihres universalistischen Anspruchs den Relativismus der partikularen Lebensformen und somit Rechtfertigungen von Not und Gewalt. Sie untergraben jedoch genau dadurch die partikularen Lebensformen und streben nach ihrer globalen Vereinheitlichung. Insofern sind sie eben kein allgemeingültiges, ahistorisch-abstrakt gültiges, sondern ein echt links-utopistisches Sozialexperiment im Hier und Jetzt einer globalistischen Weltplanung.

Dies zu kritisieren muß möglich sein, und zwar genau dann, wenn man das Menschenrecht auf Meinungsfreiheit voraussetzt (was ja auch alle vom Standard herbeizitierten empörten Linken und Linksextremen tun). Die Geltung der Menschenrechte wird nicht angekratzt durch eine vernichtende Kritik ihrer historischen Genese, ihrer ideologischen Voraussetzungen und auch ihrer eingebauten Implosion.

Für Rauschers Feminismus gilt dasselbe: Frauenwahlrecht kennt keinen Stopknopf und keinen Zurück-zum-Start-Befehl. Wer von uns rechten Kritikern maßte sich denn an, der Sozialexperimentator sein zu wollen?

Das Perfide daran ist bloß: schon allein darauf hinzuweisen, daß hier Sozialexperimente laufen, ruft die historisch konkreten Wächter über die Experimente auf den Plan, die ihre Aufgabe voller Eifer erfüllen. Frauenwahlrecht und Menschenrechtsreligion sind in diesem Sinne eben nicht a priori gültige Sittengesetze.

Das stimmt aus der unendlichen Perspektive Gottes, vor der wir alle klein werden, aber es bleibt entweder Unverschämtheit oder Schwachsinn, sich diese Perspektive anzumaßen.

(C.Ch. Bry, Verkappte Religionen, 1924).

 

 

 

 

Alte extremistische Texte abfeiern

Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ hat am 4. Februar ihr ganzes Feuilleton unter das Jubiläum des Jahres 1968 gestellt.

Ein halbseitiger Text widmet sich dem „Scum-Manifest“ der linksextremen Aktivistin und Andy-Warhol-Attentäterin Valerie Solana von 1967. Der Text sei „lange Zeit als Dokument des männerhassenden Radikalfeminismus gelesen worden„, doch berge er in Wirklichkeit sowohl „satirische Qualitäten“ als auch „literarische Kraft„.

Die wichtigste Emanzipation Solanas‘ besteht daher in der Aneignung eines abgeklärten und entschiedenen Sounds, dessen vermeintliche Maskulinität sie ihren Leserinnen und Lesern gleich noch um die Ohren haut.

Es sei

schon die Energie der expliziten Gewalt, der das Scum-Manifest seine Kraft verdankt … doch seine wahre Kraft entfaltet Solanas‘ Text nicht, wenn man ihn einfach als Anleitung zur Gründung einer feministischen Terrororganisation liest. Es ist der Anschlag auf die Ordnung der Geschlechter, der zählt.

Schreibt Harald Staun, ein Mann. Und hält Solanas außerdem der ausgleichenden Gerechtigkeit halber zugute, daß sie ja auch „für die meisten Frauen nicht viel übrig hatte„.

Uff. Das ist es also, was Sophie Liebnitz in „Tote weiße Männer lieben“ und Karlheinz Weißmann in „Kulturbruch ’68“ (beide aktuell erschienen, beide unbedingt lesenswert!) diagnostizieren: es ist heute vollkommen normal geworden, linksextreme Sätze abzufeiern. Liebnitz schreibt:

Auf Basis dieses feministischen Apriori sind die krassesten Aussagen möglich, solange sie sich gegen primär heterosexuelle und weiße Männer richten. Und sie sind nicht nur möglich, sondern werden geduldet und als Diskussionsbeiträge erwogen, weil sie doch „irgendwie“ gerechtfertigt erscheinen. Blicken wir nicht auf Jahrtausende bösartiger männlicher Weltbeherrschung zurück, die nach Beendigung schreit?

 

Stellen wir uns diesen FAS-Beitrag mal andersherum vor, eine probate Testmethode zur Feststellung von „Hierarchien der Opfer“ (Martin Lichtmesz).

Nehmen wir an, es gäbe einen schicken faschistischen, NS- oder mindestens reaktionären Text, der Gewalt gegen Frauen, Juden oder eine sonstige heute geschützte Minderheit völlig ungebrochen feiere, zur Vernichtung derselben aufriefe, dies alles literarisch gut gemacht (je älter die Texte, desto wahrscheinlicher findet sich diese Kombination). Irgendwo bei Weininger, Blüher, Spengler, Steiner, George, Benn oder Schmitt, Marinetti oder Mussolini würden wir schon fündig. Und dann schriebe ich einen Artikel für die FAS, in dem ich die „literarische Kraft“, die trickreich-subversive „Aneignung eines abgeklärten jüdischen Sounds“ lobte und resümierte, es sei der „Anschlag auf die Ordnung der Rassen“, der hier zähle, wenngleich der Aufruf zur Gewalt und zur Gründung einer antisemitischen Terrororganisation ebenfalls zentral seien.

Mein Punkt ist nicht: bestimmte literarische Texte, vor allem Manifeste und Pamphlete, seien gefährlich und richteten sich gegen Minderheiten, riefen zur Gewalt auf, weshalb es moralisch verwerflich sei, sie im Feuilleton ob ihrer dichterischen Dichte oder suggestiven Elementarkraft abzufeiern, stattdessen sollte man sich von ihnen distanzieren oder sie verbieten. Es wäre also dringend geboten, Solanas‘ Manifest in Acht und Bann zu tun, damit es endlich mal die Linken träfe. Mein Punkt ist das Gegenteil.

Solche Texte darf man feiern, hassen, auseinandernehmen, imitieren, kontextualisieren, dekontextualisieren, aktualisieren oder vernichten. Sie sind Texte. Für ihr Grenzgängertum ist bisweilen die Justiz zuständig, bis dahin: die Kunst und die Politik.

Ich weise nur darauf hin, wo erschienen, in welchen Kontext gestellt, von wem geschrieben und insoweit signifikant dieser Feuilletonartikel ist. Er ist nämlich signifikant für das „historische Apriori“ (Michel Foucault) des Hasses gegenüber „toten alten weißen Männern“, von dem Liebnitz‘ Buch handelt. Es fällt uns überhaupt nicht mehr auf, daß hier jemand einen Text in Schutz nimmt, der ihn selber vernichten will, der als Mann den „Anschlag auf die Ordnung der Geschlechter“ mit weit mehr als klammheimlicher Freude begrüßt. Und – hier kommt Weißmann ins Spiel – es fällt uns deshalb nicht mehr auf, weil die Linke eine diskursive Zivilreligion geschaffen hat, die uns alle auf ihren kryptoreligiösen „Heptalog“ eingeschworen hat. Sieben „Gebote“, von denen abzuweichen ein Sakrileg ist. Das 6. Gebot beschwört den „selektiven Humanismus“:

Der hat damit zu tun, daß man seinem politischen Gegner grundsätzlich den guten Willen abspricht, und sich nicht verpflichtet fühlt, ihm gegenüber die Anstandsregeln einzuhalten. Das erklärt auch die Schärfe, mit der man die Massenverbrechen der anderen Seite beurteilt, die in jedem Fall „unvergleichlich“ waren, und die Milde, mit der man die eigene Seite betrachtet, obwohl es sich zweifellos um die schlimmsten der Geschichte handelt.

 

 

Viel hybrider als die Eisenfaust

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Gewöhnlich muß es mich nicht kratzen, wenn jemand andere Musik mag als die Identitären, und die Musik, die die Identitären hören, bescheuert findet. Anders liegt der Fall, wenn derjenige steile Thesen aufstellt, weshalb die Musik, die die Identitären hören, ein philosophisches Begründungsproblem aufwirft. Dann werde ich hellhörig.

Jens Balzer wirft in der ZEIT der IB vor, entweder nur bündische Lieder wie „Die Eisenfaust am Lanzenschaft“ zu singen (Vorsicht! Homogenitätsgefahr!), oder sich mit dem Rapper „Komplott“ in andere musikalische Gefilde wie den Rap vorzuwagen (Vorsicht! Durchmischungsgefahr!) Ja was ist denn nun schlimmer?

Popkultur ist ihnen mentalitätsgeschichtlich prinzipiell fremd, denn sie speist sich wesentlich aus Hybridität. Ohne die grenzenlose Zirkulation von Zeichen und die Vermischung von kulturellen Traditionen ist Pop nicht denkbar; es gibt im Pop nichts Eigenes, das nicht konstitutiv auf ein Anderes verweist.

Nun, daß es nichts Eigenes gibt, das nicht konstitutiv auf ein Anderes verweist, ist zweifellos wahr. Im Pop heißt Hybridität, daß Zeichensysteme auf Zeichensysteme verweisen. Es handelt sich, da Pop ein Kulturphänomen ist, um kulturelle Einflüsse von Texten auf Texte, Bildern auf Bilder etc. Es verhält sich bei der Popmusik strukturell genauso, wie Nietzsche von den französischen, spanischen und englischen Moralisten Versatzstücke, Motive und Bilder übernommen hat, nur um mal ein mir naheliegendes Beispiel zu nennen. Oder wie die Wiener Küche kaum etwas „Eigenes“ hat, sondern alles irgendwoher stammt, aus Böhmen, Italien, Ungarn, Frankreich usw. usf., aber – und das ist doch der Witz bei der Sache – das Eigene ist dann doch eigen, arttypisch, lokal unverwechselbar und erhaltenswert. Topfengolatschen und Fiakergulasch sind eben nicht dasselbe oder ohne Verlust zu ersetzen durch McDoof oder Baklava und Döner.

Insofern ist die Pop-Hybrid-These banal (siehe Moralistik- und Küchenbeispiel), oder falsch (Vermischung von Zeichen ist eben nicht dasselbe wie der Große Austausch). Hybridität“ heißt nicht Vermischung der Leute.

Das Reizvolle bei den Identitären ist doch gerade, daß wir sowohl auf verschüttetes (vor allem bündisches) deutsches Liedgut zurückgehen, als auch bestimmte andere Musikrichtungen (Neofolk, Synthwave, Rap, Arbeiterlied, Liedermacherballade, was auch immer) kapern, als auch alle mögliche Popmusik gutfinden, die eben ein Lebensgefühl ausdrückt (Leonard Cohen, Johnny Cash, David Bowie etc., Martin Sellner findet sogar Money Boy und Yung Hurn gut), das an bestimmten Punken an unseres anschließt. Eklektizistisch halt, postmodern, wenn man so will. Wir können gar nicht anders, als Kinder der kulturellen Globalisierung zu sein und uns ihrer Elemente zu bedienen.

Entscheidend ist dabei das Moment der bewußten Wahl. Wenn Identitäre Musik hören, denken sie sich etwas Politisches dabei. Das unterscheidet sie von allen Pop-Konsumenten. Für die Wahl ist entscheidend: nicht Mainstream, Disco und Dancefloor, MTV-Programmschleife und Youtube-Klick-Hits. Weil die Musik flach ist, und auch, weil darin Ideale, Modelle, Typen angepriesen werden, die für Globalisierung und Identitätsverlust stehen (im Sommer lief dauernd ein Lied im Radio, dessen Text nichts Gutes verhieß: „I’ve got no roots but my home was never on the ground“).

Es gibt im Pop unglaublich viel, das auf unser Eigenes verweist. Mit Jim Goads Diktum

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gesprochen: der ZEIT-Musikliebhaber glaubt anscheinend wirklich, daß wer die Totalhybridisierung aller Zeichen, Waren und Menschen ablehnt, im völkischen Männerbund vereinsamt.

P.S. Die „Eisenfaust“ fetzt wirklich. Und die identitären Frauen werden immer mehr.

Hausaufgabentips für Schüler: der Gegen-Rechts-Roman

Liebe Schüler!

Ihr habt als Hausaufgabe, Abschlußarbeitsthema, Referat oder Bestandteil der Lektüreliste also einen neuen oder ziemlich angestaubten Roman „gegen Rechts“. Und Ihr habt ein Problem. Das Problem sieht so aus: es ist Euch längst einigermaßen klar, was die Botschaft des Buches ist, was „uns der Autor damit sagen wollte“. Nur: Euer Lehrer hat das Buch genau deshalb ausgewählt, weil er Euch diese Botschaft reindrücken will, und das geht Euch gegen den Strich.

Was soll man in einer solchen Lage tun? Es gibt prinzipiell zwei Möglichkeiten.

Entweder der Lehrer kann Kritik vertragen, kennt Euch inzwischen schon als ewige Querulanten und Besserwisser, es ist also eh schon egal, und es wirkt sich nicht auf die Note aus. Dann folgt dem Pfad: Argumente gegen Propaganda.

Oder Ihr müßt vorsichtig sein. Der Lehrer und/oder die ganze Klasse ist knalllinks, und mit Kritik an diesem Buch gefährdet Ihr mindestens eure Deutschzensur, wenn nicht gar den Verbleib auf Eurer Schule. Da bleibt Euch nur übrig, dem Pfad: gespaltenes Bewußtsein zu folgen. Diesen Ausdruck hat der Historiker Hans-Dieter Schäfer für das Leben im 3. Reich geprägt, die Leute wußten genau, was man sagen darf, und was man nur denken darf. Aber auch beim „gespaltenen Bewußtsein“ hilft es, erst einmal für sich zu erkennen, warum es sich um Propaganda handelt.

Also, Pfad 1 – Argumente gegen Propaganda.

Man erkennt, daß ein Buch (auch: ein Film, ein Comic, ein Gedicht oder ein Kunstprojekt) linke Propaganda ist, wenn folgendes vorkommt oder erkennbar ist:

  • es spielt in der Gegenwart oder in einer möglichst horrormäßig ausgemalten nahen Zukunft. Zum Roman „Roh“ von Ulf T. Swidler schreibt der Verlag auf der Rückseite des Buches:  „Ein erschreckendes Albtraumszenario, das angesichts des weltweiten Aufschwungs rechtspopulistischer Kräfte schon bald Realität werden könnte.“ Der Stil hat viele wertende Adjektive wie „beklemmend“, „gefährlich“, „dunkel“, „leer“, „wirr“, „dröhnend“, „hart“ usw..
  • es hat Elemente eines „Schlüsselromans„. Ein Schlüsselroman verändert Namen von realen Personen, Orten, Parteien, Abkürzungen von Gruppennamen nur leicht, sodaß man ohne viel Nachdenken entschlüsseln kann, wer „Jörn Böcke“ (=Björn Höcke, AfD-Politiker), oder eine „Deutsche Alternative Partei“ (AfD-Schlüsselname) oder „Nationale Bewegung“ (=Identitäre Bewegung) sind. Je blöder die Namensgebungen, desto sicherer: Propaganda.
  • es ist klar, wer der gute Held und wer der böse Schurke ist. Oft gibt es ein ziemlich künstliches inneres Drama im Heldenherzen, z.B. kann sich ein Jugendlicher nicht zwischen seinen rechtsgerichteten Fußballkumpels und dem schönen Flüchtlingsmädchen entscheiden. Gut und böse sind sauber verteilt auf politisch links und rechts.
  • das Buch gibt keinen Spielraum zum Nachdenken. Ein „offenes Kunstwerk“ (so hat der Schriftsteller Umberto Eco, der „Der Name der Rose“ geschrieben hat, gute Bücher charakterisiert) läßt dem Leser oder Zuschauer immer mehrere Möglichkeiten, welchen Sinn es geben könnte, wer gemeint ist, ob es ironisch ist, auf welche anderen Bücher es anspielt oder was für Motive die Figuren haben. Ein geschlossenes Kunstwerk legt nur eine Spur. Ein Beispiel für ein offenes Kunstwerk, das sehr wohl eine politische Machtübernahme und die langsame Veränderung der Menschen und den mutigen Kampf gegen die neue autoritäre Schulleitung usw. erzählt, ist Harry Potter Band 5. Man kann das Buch linksherum und rechtsherum und auch völlig unpolitisch lesen.
  • es schürt Angst vor „den Rechten“, und dies mit einem besonderen Trick: einerseits ist es total konkret, es gibt echt wirkende Menschen, Gespräche, Jugendsprache, Liebesszenen, genaue Beschreibungen von Treffen oder Gedanken. Weil man als Leser nun so reingesaugt wird, und es alles so echt erscheint, hält man das Buch für „total realistisch„. Aber andererseits ist die Bedrohung, die von den „Rechten“ oder den „neuen Machthabern“ im Buch ausgeht, ganz und gar unkonkret (Kinder verschwinden, jemand hat plötzlich nicht mehr seine eigenen Gedanken) oder ganz plump (die „Rechten“ ritzen einem Mitschüler ein Hakenkreuz auf die Stirn, klar, logisch, machen Rechte ja ständig, sind ja Nazis).
  • der Leser identifiziert sich viel zu leicht. Was das betrifft, sind Propagandabücher so einfach wie Kinderbücher und -filme. Wer hält schon NICHT zu den Jedis oder zu Harry Potter? In linken Propagandabüchern ist der Held so gut wie IMMER ein Ausgegrenzter, „irgendwie anders“, und hat Probleme, aber er tritt gleichzeitig für „die Freiheit“ oder „das Menschliche“ ein und bekommt deshalb doppelte Sympathiepunkte.
  • die „schiefe Bahn“ ist typisch für Anti-Rechts-Romane. „Wehret den Anfängen!“ ist die Logik, denn: was heute noch normal, demokratisch gewählt, eine kleine Randerscheinung ist, kommt ins Rutschen, wird immer größer und ergreift bald die Macht. Das Modell ist immer das Jahr 1933, als die NSDAP die Mehrheit der Wahlstimmen bekam und dann die Macht ergriff. Dem Leser wird vermittelt: er hat die geheimen Strukturen erkannt, wenn er diese Botschaft aus der Lektüre mitnimmt.

Wenn Ihr solche Merkmale gehäuft erkannt habt, handelt es sich ziemlich sicher um Anti-rechts-Propaganda.

Nun zu den Argumenten.

1. Genau die beschriebenen stilistischen Merkmale benennen. Das „Horrorszenario“ wird durch die Adjektive so und so und so … usw. hervorgerufen. Manchmal gibt es auch einen schönen Kontrast zu einer heilen Welt, die in entsprechend rosigen Worten ausgemalt wird. Wörterlisten helfen dabei!

2. Ein „Schlüsselroman“ muß nicht Propaganda sein, es gibt auch unpolitische oder gegen bestimmte Personen gerichtete (z.B. war Martin Walsers „Tod eines Kritikers“ konkret gegen den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki gerichtet). Andersherum wird ein Schuh draus: leicht durchschaubare Verschlüsselungen sollen den Leser mit dem Zaunpfahl in die richtige Richtung winken: Leute, alle mal herschauen, es geht um diese gefährliche Partei. Auf platte Verschlüsselungen aufmerksam machen und darauf, daß es keine Kunst ist, hier irgendwas zu „durchschauen“.

3. Einfache gut/böse-Zuordnungen sind etwas fürs Märchen. Genau das müßt Ihr benennen, folgende Figurenbeschreibungen helfen vielleicht: x ist der unschuldige Held, gehört zur unterdrückten Minderheit, ist das Mobbingopfer, der Rächer der Entrechteten. y ist der der heterosexuelle weiße Mann mit den markigen Sprüchen, die Gruppe mit der knallharten autoritären Hierarchie („Nach oben buckeln, nach unten treten“), der Manipulateur. Ein „Manipulateur“ ist eine sehr typische Figur im Gegen-rechts-Buch: das ist jemand, der mit einem oder mehreren anderen nur spielt, sie verführt oder verarscht, um selber Macht zu gewinnen über sie. Oft wird auch mit den Begriffen Opfer und Täter gearbeitet: die „Rechten“ tun immer so, als wären sie Opfer, in Wirklichkeit sind sie sowieso die immer die Täter. Hier hilft Euch der Begriff „Opfer-Täter-Umkehr“ weiter. Beispiel: die „Rechten“ sagen, sie müssen sich wehren, weil sie zur Minderheit im eigenen Land werden. Im Buch wird das so dargestellt, daß sie deswegen Ausländer hassen und Gewalt anwenden, also Täter sind. Nur: ihre Beobachtung, daß sie wirklich zur Minderheit werden, ist ja real. Diejenigen, die dafür eintreten, daß die Einheimischen zur Minderheit werden, sind die wirklichen Täter. Man kann also die Täter- und die Opferrollen umkehren.

4. Ihr könnt, gerade wenn Ihr das Buch auch beurteilen oder Eure Meinung formulieren sollt, auch einschätzen, ob es ein gutes Buch ist. Dazu dient die Unterscheidung „offenes Kunstwerk“ (mit viel Interpretationsspielraum) und „geschlossenes Kunstwerk“ (es gibt nur eine Deutung). Merkt Euch: man kann endlos in dem Stil schwafeln: „Generell ein Buch, das zum Nachdenken anregt, vor allem aber auch in der heutigen Zeit wo wir durch Parteien, Terror, Krisen und Rassismus alles selber mitbekommen. Politik geht einfach jeden etwas an“ usw. – das ist aber alles ein und dieselbe Aussage. „Nachdenken“, „kritisch denken“, „Aufstehen“, „Zivilcourage zeigen“, „sich engagieren“, „rechtes Gedankengut entlarven“ heißt immer nur stumpfsinnig dasselbe: sagen, daß rechts böse und links gut ist. Kritisches Denken gelingt, wenn man aufzeigen kann, wie billig diese Pseudo-Kritik eigentlich ist. Wenn die ganze Klasse dieselbe „Gesellschaftskritik“ als Botschaft des Buches herausgefunden hat, ist es ein sicheres Zeichen für unkritisches Denken.

5. Den Trick konkret am Buch beschreiben: Wodurch wirkt es realistisch? Wer wird wie dargestellt? Die Darstellungsebene ist der Hebel, an dem Ihr den Trick zu fassen bekommt. Hilfreiche Sätze: „x wird positiv dargestellt“, „man fühlt mit ihr“, „der Leser kann nachvollziehen, warum sie so handelt“, „dadurch ergibt sich der Effekt, daß der Leser denkt …“, „die Darstellung des Jungen bewirkt beim Zuschauer“, „man wird dazu gebracht, zu glauben“, „der Leser wird manipuliert“. Und dann: wodurch wird es bedrohlich? „Schwammig“ ist kein guter Ausdruck. Besser sind: „diffus“, „plakativ“, „verallgemeinert“, „pauschal“, „holzschnittartig“, „Schwarz-Weiß-Malerei“, „Szenario“, „es entsteht ein Bild, das …“, „suggestiv“, „psychologisch geschickt“, manchmal aber auch echt „psychologisch ungeschickt“.

6. Das Identifizieren nicht mitmachen. Statt „Man fühlt mit“ oder „der Leser empfindet“ oder „bald wird klar“ oder „wir müssen uns bewußt werden“ usw. klar ansprechen, daß Ihr selber nicht dazugehört zu den Lesern, auf die das Buch den gewünschten Effekt hat. Also: „Der Leser soll …. denken, aber ich denke eher …“; „Man soll dazu gebracht werden, mit dem Mädchen mitzuempfinden, aber ….“, „Das Buch suggeriert, daß ….“; „Der Autor will, daß der Leser …“.

7. Mit dem Schiefe-Bahn-Argument bekommt man unter Garantie eine gute Note auf die Buchbesprechung zum Anti-rechts-Roman. Wer erkannt hat, daß das Gruselszenario im Buch „auch uns heute betrifft“ und wir „die Zeichen rechtzeitig erkennen“ und „den alltäglichen Rassismus/ die alltägliche Ausgrenzung/den neuen Faschismus“ usw. „im Kleinen“ oder „immer wieder neu“ bekämpfen müssen, hat die Lektion gelernt, ein braver Mainstreammitschwimmer zu sein. Wie kann man da gegenanschwimmen? Ganz einfach: indem Ihr genau das von außen oder von oben oder als Beobachter, den das fürchterlich nervt, beschreibt. Also: in Eurem Text schreiben, daß es ein „Schiefe-Bahn-Argument“ ist, daß der Text nur eine einzige Interpretation nahelegt, daß er die Welt schwarzweiß zeichnet, daß er den Leser manipulieren will und zu Pseudo-Kritik erziehen will. Kurz: daß es Propaganda ist, Gesinnungskitsch, politische Märchenstunde oder Ideologie.

Und zuguterletzt noch der Pfad für diejenigen, die mit gespaltenem Bewußtsein durch die Schule gehen müssen. Ihr könnt dem Lehrer eben nicht hinklatschen, daß das Propaganda ist. Auch die Tips unter Punkt 6., zu schreiben daß Ihr nicht mitmacht, laufen bei Euch nicht. Es gibt für Euch zwei Möglichkeiten:

  • So dermaßen übertreiben, daß es nur Satire oder Lehrerverarschung sein kann. Man kann sich darin perfektionieren, Gesinnungskitsch zu schreiben. Dann müssen viele wertende Adjektive vorkommen wie „aufrüttelnd“, „verstörend“, „angstmachend“, „rassistisch“, „fremdenfeindlich“, „krude“, „dumpf und dunkel“, „Haß“, „Hetze“ und natürlich „Hitler“, auch mehrmals „faschistisch“, „neofaschistisch“ und dann nicht mir psychischen Betroffenheitsreaktionen sparen „an der Stelle mußte ich weinen“, „ich hab echt gespürt, wie sich eine Diktatur anfühlt“, „ich hab oft Angst um …“. Auf diese Weise schreibt man, was der Lehrer hören will, kann aber vor sich selber geradestehen, weil der Aufsatz reine Ironie ist. Aufpassen, daß es nicht zu schmalzig wird, sonst fliegt diese Methode auf! Wer Kitschproduktion nicht schafft oder mag, kann womöglich beim Entlarven richtig schön übertreiben. Da braucht Ihr dann Vokabeln wie „versteckt sich hinter der Fassade“, „betreibt Mimikry“, „erst auf den zweiten Blick erkennt der Leser die vielen Hinweise auf die Realität“, „der Politiker xy im Roman ist eine gekonnte Persiflage auf den wirklichen … und seine bösen Machenschaften“ oder „Nach der Lektüre des Buches erkenne ich jetzt immer, wo Rechte ihr Unwesen treiben und wie ich mutig zu den Linken halten kann“.
  • Punkt 5 starkmachen. Keiner kann Euch etwas anhaben, wenn Ihr nur die Darstellungsebene beschreibt. „Im Text wird die Partei so dargestellt, daß sie …“, „das Buch beschreibt eine Welt, in der …“, „xy wirkt realistisch, weil, „xy wirkt unrealistisch, weil ….“ usw. Statt immer nur „darstellen“ kann man auch schreiben: „hat den Effekt“, „bewirkt beim Leser“, „soll beim Leser bewirken“, „man bekommt immer mehr den Eindruck“, „entwirft ein Bild“ usw.. Lauter Stilmittel, Darstellungen, Effekte, Methoden den Leser zu beeinflussen und Wörterlisten ganz hölzern und sachlich zu aneinanderzureihen ergibt zwar dann wohl keine Note 1 in „Ausdruck“, ist aber ein Weg, die Wahrheit zu sagen ohne zu bekennen, daß Ihr anders denkt. Und wenn Ihr dann Eure „eigene Meinung“ schreiben müßt? Dann bleibt Ihr auch auf der Beobachterebene: „Man kann imBuch xy gut erkennen, wie politische Romane funktionieren. Die Lektüre hat mir sehr geholfen, Mechanismen zu durchschauen.“ Keiner hat Euch nach Euren Gefühlen gefragt, nur nach Eurer Meinung. Eine elegante Meinung ist sicher auch die, zu schreiben, das Buch zeige die „Polarisierung“ der Gesellschaft, also die Spaltung in links und rechts. Kann Euch kein linker Lehrer einen Strick draus drehen – die Frage, wer die Spaltung in die Gesellschaft reingebracht hat, müßt Ihr ja nicht beantworten.